Türkei:Ein Lehrstück

Weihnachtsverbot in Istanbul? Zeit für eine Besinnungspause.

Von Luisa Seeling

Falls jemand nach den perfekten Zutaten für einen Skandal sucht - hier sind sie: deutsche Auslandsschule, Erdoğan und das ominöse Weihnachtsverbot. Vermeintlich verbietet da also eine türkische Schulleitung ihren von deutschen Steuergeldern bezahlten Lehrern die Vermittlung deutscher Werte und Bräuche. Da schnellt die Erregungskurve pfeilgerade nach oben.

Einiges bleibt nebulös in dem Streit: Gab es ein Verbot oder nur eine Ansage der Schulleitung, die als Verbot interpretiert wurde? Verwirrung stiftete auch das Konstrukt der "deutschen Auslandsschule" - es handelt sich beim Istanbul Lisesi vielmehr um eine türkische Schule, an der nach türkischem Lehrplan unterrichtet wird. Freilich: Deutschland zahlt und schickt Personal; es darf deshalb nicht egal sein, wofür das Gymnasium steht.

Wo also steckt das Unbehagen? Innerhalb von Stunden wurde aus einem Konflikt an einer Schule eine Staatsaffäre. Das liegt natürlich daran, dass die Beziehungen zwischen Berlin und Ankara aufgeraut sind. Aber auch daran, dass schnell der große Kulturkampf ausgerufen wird, wenn es ruckelt im deutsch-türkischen Verhältnis. Weil es momentan leider ziemlich oft ruckelt, folgt die Empörung reflexartig. Gelöst wird so nichts. Nun scheint die Leitung des Gymnasiums doch einzulenken. Vielleicht schafft das die Ruhe, um über die Substanz dieser Lehr-Beziehung nachzudenken.

© SZ vom 20.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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