Türkei:Diplomatie knackt Trotz

Berlin ist Ankara im Streit um Incirlik kalkuliert entgegengekommen - das war diesmal die richtige Strategie.

Von Stefan Ulrich

Stolz und Trotz sind streitbare Brüder, die gern auch mal die internationale Politik aufmischen. In den vergangenen Wochen tobten sie sich im deutsch-türkischen Verhältnis aus. Weil der Bundestag den Völkermord an den Armeniern als Völkermord bezeichnete, fühlte sich die türkische Regierung in ihrem Stolz verletzt. Trotzig verweigerte sie deutschen Abgeordneten, die deutschen Soldaten zu besuchen, die auf dem Nato-Stützpunkt Incirlik stationiert sind. Ankara verknüpfte so zwei Dinge, die nichts miteinander zu tun haben, und störte die Zusammenarbeit in der Nato.

Berlin hätte nun ebenfalls trotzig reagieren und die Soldaten abziehen können, was zur Krise in der Nato und weiterer Eskalation des Streits mit der Türkei geführt hätte. Doch die Bundesregierung versagte sich dies, obwohl aus Ankara Provokation auf Provokation folgte. Sie schickte stattdessen versöhnliche Botschaften in die Türkei: Die Bundestagsresolution ist nicht rechtsverbindlich - was ohnehin niemand behauptet hat -, und in Incirlik werden 58 Millionen Euro investiert. Das wirkte entwaffnend. Der Weg der Abgeordneten nach Incirlik ist frei.

Kleine Gaben retten die Freundschaft. Das bedeutet aber nicht, dass sich Ankara alles erlauben kann, weil es in der Nato und in der Flüchtlingskrise gebraucht wird. Wenn es um Rechtsstaat und Demokratie im EU-Kandidatenland Türkei geht, darf Berlin nichts verschenken.

© SZ vom 09.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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