Türkei:Bomben auf Badegäste

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Die Attentate in der Türkei sollen nicht nur den Tourismus treffen, sondern auch das Militär. Es ist kein Zufall, dass die Anschläge wenige Stunden vor dem Amtsantritt des neuen türkischen Generalstabschefs geschahen.

Christiane Schlötzer

Wer in Marmaris in einem Bus eine Bombe zündet, der weiß, dass er damit auch Ausländer trifft.

Verletzte in Antalya nach den Bombenanschlägen: Der Verdacht fällt auf die radikale Kurdengruppe PKK. (Foto: Foto: AP)

Marmaris ist das mondäne Zentrum des türkischen Tourismus, die Sprengsätze zielen auf einen der wichtigsten Wirtschaftszweige des Landes. Die kurdische PKK hat immer wieder mit solchen Anschlägen gedroht, weshalb man der alteingesessenen Terrortruppe oder einem ihrer jüngeren Ableger die Attacken auch zutrauen kann, ob es bereits Bekenneranrufe gibt oder nicht.

Der Verdacht fällt aber aus einem weiteren Grund auf die radikale Kurdengruppe. Die Anschläge geschahen in der Nacht zum Montag und damit nur wenige Stunden vor dem Amtsantritt des türkischen Generalstabschefs.

Der Neue, Yasar Büyükanit, ist ein Mann, der keinen Zweifel daran lässt, dass er mit harter Hand gegen die PKK vorzugehen gedenkt. Am vergangenen Freitag hielt Büyükanit eine Rede, in der er auch denjenigen mit Vergeltung drohte, die den Kampf der PKK gegen den Staat in irgendeiner Weise unterstützten. Der Begriff "Unterstützung" wurde in der Türkei in der Vergangenheit traditionell sehr weit ausgelegt.

Der General machte den Eindruck, als wollte er zu den alten Zeiten zurückkehren, indem er auch Menschenrechtsgruppen pauschal unter Terrorverdacht brachte. Der bisherige Stabschef Hilmi Özkök hätte so etwas nie gesagt.

Büyükanit steht besonders im Feuer

Büyükanits Rede war nicht gerade passend für den obersten Soldaten eines Landes, das der EU beitreten will. Eine problematische Rede eines Generals wiederum rechtfertigt keinen Terror. Eine Verantwortung des Militärs für den inneren Frieden der Türkei gibt es aber sehr wohl. Büyükanit steht besonders im Feuer.

Bei einem Anschlag auf einen Buchladen im türkisch-kurdischen Ort Semdinli, der offensichtlich der PKK in die Schuhe geschoben werden sollte, waren im vergangenen Jahr inzwischen verurteilte Agenten eines militärischen Geheimdienstes am Werk.

Ein Staatsanwalt, der deshalb auch gegen Büyükanit ermitteln wollte, wurde nach heftigem Druck der Militärs auf die Regierung in Ankara entlassen.

Der Glaubwürdigkeit des Generals hat diese Affäre geschadet. Büyükanit reagiert unter Druck nach alter Art: noch mehr Druck erzeugen. Diese Methode der Bekämpfung der PKK aber hat schon früher versagt. Sie hat das Land in eine tiefe innere Spaltung getrieben - und die PKK gibt es immer noch.

Die Anschläge in Marmaris und in einem Istanbuler Slumviertel (das für seine zahlreichen PKK-Anhänger bekannt ist) werden nun weitere Spekulationen darüber auslösen, was die Armee mit ihren Truppen an der Grenze zum Nordirak vorhat.

Durch die Annäherung der Türkei an die EU steht die PKK unter Druck

Sie hat dort in den letzten Monaten mehr Soldaten und Gerät zusammengezogen als je zuvor. Der Nordirak aber ist der wichtigste Rückzugsraum der Kurdenkämpfer. Die Armee steht unter Druck, weil es ihr seit Jahren nicht gelungen ist, das stete Einsickern der PKK-Rebellen über die gebirgige Grenze in die Türkei zu unterbinden.

Doch auch die PKK selbst steht unter Druck. Mit der Annäherung der Türkei an die EU hat sie viele Sympathisanten verloren. In jüngster Zeit machen ihr auf dem vertrauten türkisch-kurdischen Territorium zudem islamistische Gruppen zu schaffen. Diese profitieren von der antiamerikanischen und proarabischen Stimmung, die zuerst der Golfkrieg und zuletzt der Libanon-Krieg in der Türkei ausgelöst haben. Viele Kurden sind religiös. Die säkulare PKK und ihr kurdischer Nationalismus haben sie deshalb stets mit einem gewissen Misstrauen verfolgt.

Die neuen Islamisten machen auch Stimmung gegen Europa und damit gegen Ankaras Politik. Der Regierung von Tayyip Erdogan kann dies alles nicht gefallen. Aber der Premier hat wenig Macht, dies zu ändern. Und seinen General zur Ordnung rufen, kann er leider auch nicht.

© SZ vom 29.8.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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