Türkei:Angriff auf den Knotenpunkt

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Mindestens 28 Menschen kommen bei der Terrorattacke auf den Istanbuler Atatürk-Flughafen ums Leben. Direkt im Eingangsbereich schießen die Angreifer um sich und sprengen sich anschließend in die Luft.

Von Mike Szymanski, Istanbul

Die erste Kontrolle am Istanbuler Flughafen Atatürk erfolgt direkt hinter der Glastür am Eingang. Taschen werden durchleuchtet. Lange schon bevor der Terror dieses Land wieder in seinen Würgegriff genommen hat, versuchten die Behörden, vorsichtig zu sein. Wenn reger Flugbetrieb herrscht, bilden sich hinter der Glastür lange Schlangen. Wenn man so will, ist der Flughafen hier besonders verwundbar.

Am späten Dienstagabend, es ist gegen 22 Uhr, dringen Terroristen bis hierhin vor. Sie haben Gewehre und Sprengstoff. Und all das Sicherheitsdenken hat wenig geholfen, denn am Ende sind mindestens 28 Menschen tot und Dutzende verletzt. Zwei Attentäter liefern sich ersten Informationen zufolge erst einen Schusswechsel mit dem Sicherheitspersonal, bevor sie sich in die Luft jagen. Von einem dritten Attantäter ist später noch die Rede. Sie richten ein Blutbad an.

Wieder erschüttert ein Anschlag die Türkei. Wieder trifft es Istanbul. Die Millionenstadt am Bosporus kommt einfach nicht zur Ruhe. Der Juni wird in der Stadt als ein blutiger Monat in Erinnerung bleiben. Dabei ist gerade Ramadan.

Anfang des Monats hatte ein Selbstmordattentäter im bei Touristen so beliebten Altstadtviertel ein mit Sprengstoff beladenes Auto in einen Polizeikonvoi gesteuert. Zwölf Tote. Und eine gruselige Botschaft hatten sie hinterlassen: Dies sei noch nicht das Ende. Eine Splittergruppe der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK, die sogenannten Freiheitsfalken Kurdistans (TAK), hatte die Verantwortung für den Anschlag übernommen. Man kann es sich kaum vorstellen, aber es gibt tatsächlich noch radikalere Abspaltungen der PKK. Diese hat sich vorgenommen, den Terror aus dem Südosten des Landes in die westlichen Großstädte der Türkei zu tragen. Seit einem Jahr ist der Kurdenkonflikt wieder voll entbrannt. Aber sicher fühlen soll sich niemand. Nirgends. Bei Anschlägen in Ankara sind schon Dutzende Menschen ums Leben gekommen. Auch Istanbul hatten die Terroristen seit längerem im Visier. Der zweite Flughafen war schon einmal Ziel eines Anschlags. Im Dezember verübte die TAK einen Mörserangriff. Eine Frau kam ums Leben. In der Rückschau wirkte der Angriff nur wie eine Fingerübung. Auch die Terrororganisation Islamischer Staat mordet in der Türkei, zündet Bomben unter Terroristen. Im Januar traf es eine deutsche Urlaubergruppe. Wer steckt diesmal dahinter? Nun trifft es die Internationale Drehscheibe.

Atatürk, ein dauer-quirliger Ort. Jetzt fahren keine Taxen vor, sondern Krankenwagen. Die U-Bahn stoppt vorher. Der Atatürk-Airport ist jetzt Tatort. Die Nachrichtenagentur DHA meldete, der Ankunfts- und der Abflugbereich des größten Flughafens der Türkei seien vollständig gesperrt worden. Fotos vom Anschlagsort zeigten ein Bild der Verwüstung außerhalb des Ankunftsterminals, wo Passagiere gewöhnlich auf Taxis warten.

Polizisten hätten das Feuer auf die Angreifer eröffnet, als sie sich der Sicherheitskontrolle im internationalen Terminal des Atatürk-Flughafens näherten. Ein Angreifer habe mit einer Kalaschnikow in die Menge geschossen. Noch in der Nacht trifft sich Staatspräsident Recep Tayyip Erdoğan mit Premier Binali Yıldırım und dem Generalstabschef. Bisher kannten sie nur eine Antwort: Vergeltung.

© SZ vom 29.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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