Türkei:Alte Waffe, neuer Feind

Der Freispruch für Hunderte Offiziere spricht nicht für die Justiz.

Von Luisa Seeling

Ein Gericht hebt ein Urteil auf und begründet dies damit, dass einige der Beweise unzulässig waren. Das klingt nach einem korrekturfähigen Rechtswesen. Doch der Prozess, um den es geht, ist ein türkischer, und die Freisprüche sind nicht unbedingt ein Beleg für die Unabhängigkeit der Justiz. Vielmehr zeigen sie, dass sich die Fronten im Land verschoben haben.

Die etwa 300 Offiziere, die jetzt freigesprochen wurden, waren 2012 wegen vermeintlicher Putschpläne verurteilt worden. Der Prozess war hochumstritten. Gutachten förderten Ungereimtheiten zutage, Kritiker sprachen von einer gelenkten Justiz, mit deren Hilfe die AKP-Regierung eine Hetzjagd auf ihre Gegner betreibe. Die fanden sich im kemalistisch-laizistischen Milieu. Vor allem mit dem Militär focht die Regierung einen harten Machtkampf aus, oft mit juristischen Mitteln.

Diesen Kampf hat Erdoğan, inzwischen Präsident, gewonnen. Heute sieht er seine Feinde in den Reihen der Bewegung um den islamischen Prediger Fethullah Gülen, dessen Anhänger auch im Justizapparat saßen. Nachdem sich Erdoğan 2013 mit Gülen überworfen hatte, wurden Hunderte Gülenisten aus der Justiz entfernt. Bald darauf deutete die Regierung an, der Prozess gegen die Offiziere sei eine Verschwörung der Gülen-Bewegung gewesen und müsse neu aufgerollt werden. Die Feindbilder ändern sich. Die Methoden nicht.

© SZ vom 09.04.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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