Organisierte Kriminalität in Tschechien:Polizisten als Bankräuber

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Tschechiens Sicherheitskräfte können mit ihren mickrigen Gehältern kaum überleben - und bessern ihr Einkommen mit Überfällen und Erpressung auf. Der Einfluss krimineller Gruppen im staatlichen Polizeiapparat wächst. Auch zwei Jahrzehnte nach dem Ende des Kommunismus ist der Übergang in den Rechtsstaat noch nicht wirklich gelungen.

Klaus Brill

Es war wie im Dienst. Die Polizisten regelten den Verkehr, hielten Autos an und ließen Falschparker abschleppen. In voller Uniform, und die war auch echt, obwohl die Herren für den Film tätig waren. Sie hatten sich in Prag von einer Produktionsgesellschaft anheuern lassen, um Platz zu schaffen für die Dreharbeiten.

Nur war das nicht mit der Polizeiführung abgeklärt, sondern die 18 Polizisten hatten ihre Ordnungsaufgaben privat in der Freizeit übernommen. Einige ließen sich dafür sogar krankschreiben. Sie wurden festgenommen, die Innenrevision der Polizei vermutet, dass noch weitere Beamte auf diese Art ihr kümmerliches Dienstgehalt aufbesserten.

Der Fall rückt wieder einmal die Probleme der tschechischen Polizei in den Blickpunkt, die ähnlich wie die Armee und die Justiz regelmäßig von Skandalen erschüttert wird. Auch zwei Jahrzehnte nach dem Ende des Kommunismus ist der Übergang in den Rechtsstaat noch nicht wirklich gelungen.

In Nordböhmen wurde ein Polizist verhaftet, der mehrere Banken ausgeraubt hatte. Und in Brünn entdeckte man jüngst, dass sechs Angehörige einer Eliteeinheit mehrfach Festgenommene, besonders Roma und Ausländer, misshandelt und dann auch noch nackt fotografiert haben sollen. Die Sechs waren nach Presseberichten durch rechtsextremes Gedankengut beeinflusst.

Noch schwerer wiegt ein neuer Fall, der nach den Worten des Polizeipräsidenten Petr Lessy "ein schweres Versagen der Polizei" offenbart. Nach langen Ermittlungen einer Spezialeinheit flog in Brünn ein Ring von Erpressern auf, die offenbar zwölf Jahre lang Geschäftsleute bedroht und sie zur Zahlung hoher Schutz- und Schweigegelder gezwungen hatten.

Unter den sechs Tatverdächtigen waren ein aktiver und drei frühere Kripo-Beamte der Abteilung Wirtschaftskriminalität. Aus ihrer dienstlichen Tätigkeit heraus hatten sie sich Personen als Opfer ausgesucht, die tatsächlich Dreck am Stecken hatten. Anstatt sie anzuzeigen, verlangten sie von ihnen Geld mit der Maßgabe, dass dann die Strafverfolgung unterbleibe.

Einer der Festgenommenen gehörte früher zur internen Inspektion des Innenministeriums. Der Fall warf sogleich die Frage auf, ob es sich hier um Taten einzelner Krimineller handele, wie die Polizeiführung versicherte, oder ob das ganze System krank sei. Zumindest haben unzureichende Kontrolle und unzureichende Prävention im Polizeiapparat eine Rolle gespielt, wie der frühere Innenminister und heutige sozialdemokratische Oppositionspolitiker Frantisek Bublan erklärte.

Bublan und andere sehen für Tschechiens Polizei ohnedies für die nächsten Jahre ein Katastrophenszenario voraus. Aufgrund der drastischen Sparmaßnahmen, mit denen die konservativ-liberale Regierung den Staatsetat sanieren will, wird auch das Budget des Innenministeriums erheblich gekürzt.

Die Entlassung von 7000 oder gar bis zu 10.000 Polizisten und 2000 Feuerwehrleuten könnte die Folge sein. Den derzeit insgesamt rund 45.000 Polizeibeamten in Tschechien wurden überdies wie allen Staatsbediensteten die Gehälter um 15 Prozent gekürzt, Anfänger kommen kaum über 600 Euro im Monat, Abteilungschefs auf das Doppelte.

Umso größer ist die Verlockung zur Korruption, die jetzt schon weit verbreitet ist und schwere Folgen zeigt. Nach einem am Freitag bekannt gewordenen internen Bericht des Innenministeriums üben kriminelle Gruppen durch massive Bestechung jetzt schon starken Einfluss aus. Polizei, Gerichte und Verwaltung seien dermaßen von kriminellen Strukturen durchsetzt, dass die Stabilität der Wirtschaft gestört werde, heißt es in dem Bericht.

Die Organisierte Kriminalität sei deshalb in Tschechien "zur größten nichtmilitärischen Bedrohung der Gesellschaft" geworden.

© SZ vom 13.08.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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