Tschechien:Kinder der Wende

In Prag demonstriert eine neue Generation. Die Protestbewegung kann ein Vorbild sein.

Von Viktoria Großmann

Hurra, es gibt eine neue Studentenbewegung. Aus einer Aktion dreier junger Männer ist in Tschechien die wohl größte Protestbewegung seit 1989 geworden. Sie ist friedlich, freundlich und will strikt überparteilich sein. 30 Jahre, nachdem die Generation ihrer Eltern auf dem Wenzelsplatz das Ende des kommunistischen Regimes gefordert hat, nutzt die nächste Generation nicht nur ihr demokratisches Recht zu demonstrieren. Sie will endlich auch die anderen Forderungen durchsetzen: Ehrlichkeit und Anstand in der Politik.

Die Freiheit der Neunziger führte häufig nur zu einer Freiheit Einzelner, die sich im neuen System bereicherten. Ideale kamen unter die Räder. Die Gründer der Gruppe "Eine Million Augenblicke für die Demokratie" wollen aufwecken. Das gelingt ihnen - im ganzen Land. Durch sehr gute Organisation, klare, eindeutige Forderungen und eine freundliche, nicht verletzende Sprache.

Die Herablassung, mit der Premier und Präsident über die Organisatoren und Demonstranten sprechen, setzt die Menschen auf der Straße umso mehr ins Recht. Die Kinder der Wende sind erwachsen geworden. Sie haben begriffen, was die Demokratie ihnen bietet, aber auch fordert. Die tschechische Bewegung wird damit zu einem Vorbild - nicht nur in Mittelosteuropa.

© SZ vom 24.06.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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