Tschechien:Babiš gewinnt in Berufung

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Kein Interessenkonflikt: Premier Tschechiens darf Medienbesitz halten, entscheidet ein Gericht in Mittelböhmen. Zuvor war der Premier zu einer Geldbuße verurteilt worden.

Von Viktoria Großmann, München

Der tschechische Premier Andrej Babiš muss sich um einen Gerichtsfall weniger sorgen. Dass ihm Medienunternehmen gehören, führe nicht zu einem Interessenkonflikt, stellte das zuständige Bezirksamt in Mittelböhmen fest. Anfang des Jahres war der Premier von einem untergeordneten Amt noch zu einer Geldbuße von 200 000 Kronen verurteilt worden, etwa 7700 Euro. Der Regierungschef betont bei jeder Gelegenheit, dass er keinen unternehmerischen Einfluss mehr auf die Holding Agrofert habe, seit er seine Anteile in eine Treuhand übergeben habe. Die EU sieht das ganz anders, für sie steckt der Premier eindeutig in einem Interessenkonflikt.

Brüssel wirft Babiš vor, dass Agrofert zu Unrecht Subventionen in zweistelliger Millionenhöhe aus Landwirtschafts- und Strukturfonds erhalten habe. Unabhängig davon gingen tschechische Behörden den Medienbeteiligungen des Premiers nach. Zu Agrofert gehören die Unternehmen Londa und Mafra - mit dem nach Selbstaussage meistgehörten Radiosender Tschechiens sowie der traditionsreichen Tageszeitung Lidové Noviny, weiteren Zeitungen und Magazinen. Babiš hatte die Geldbuße nicht akzeptieren wollen, ging in Berufung - und bekam nun recht.

Babiš sprach am Montag im öffentlich-rechtlichen Radio erneut von einer "Pseudoaffäre", "produziert von der korrumpierten Transparency International (TI) und den Angebern von den Piraten". Die Piratenpartei ist die drittstärkste Fraktion im Parlament. Gemeinsam mit TI Tschechien hatte die Partei die Untersuchungen in Fällen von Interessenkonflikt sowohl in Tschechien als auch bei der EU angestoßen.

Mitte September waren die Ermittlungen zu Vorwürfen des Subventionsbetrugs beim Bau des Hotelkomplexes Storchennest eingestellt worden. Babiš, der eine Minderheitsregierung anführt, hat dies anscheinend geholfen: Laut der am Montag veröffentlichten jüngsten Wahlprognose liegt seine ANO derzeit mit 31 Prozent in Führung. Es folgen die Piraten mit 13,5 Prozent. Der Protest gegen Babiš soll dennoch weitergehen. Gegner des Premiers hatten oft betont, dass ein Mensch, gegen den strafrechtlich ermittelt wird, nicht Premier sein könne. Dieses Argument ist nun hinfällig, doch die Organisation "Eine Million Augenblicke für die Demokratie" plant weitere Aktionen - auch für den anstehenden Jahrestag der Samtenen Revolution am 17. November.

© SZ vom 01.10.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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