Tschechien:Babiš fühlt sich verfolgt

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Misstrauensabstimmung im Prager Parlament gegen Tschechiens Regierungschef: Doch Andrej Babiš nahm zu den Vorwürfen in einer Korruptionsaffäre nicht groß Stellung. Dafür beschimpfte er Journalisten.

Von Viktoria Großmann, Prag

"Journalistenhyänen" veranstalteten eine "wahnwitzige Jagd" auf ihn, sagte Tschechiens Premierminister Andrej Babiš am Freitagvormittag im Parlament. Wenige Stunden später überstand seine Regierung wie erwartet die Misstrauensabstimmung: 92 Abgeordnete stimmten für das Absetzen des Kabinetts, erforderlich waren allerdings 101 Stimmen. Premier und Opposition nutzten die Gelegenheit zu einer Grundsatzdiskussion.Bereits vor der Abstimmung deutete alles darauf hin, dass der Opposition neun Stimmen fehlen würden, um Babiš zu stürzen. Er selbst sagte: "Die Wahrheit ist auf meiner Seite."

Gegen Andrej Babiš und seinen Sohn sowie fünf weitere Familienangehörige wird wegen möglicherweise zu Unrecht erhaltener EU-Subventionen in Höhe von 1,64 Millionen Euro ermittelt. Kürzlich hatte der Sohn zu Journalisten gesagt, er sei gegen seinen Willen außer Landes gebracht worden, um in der Betrugsaffäre "Storchennest" nicht aussagen zu können. Das hatte Bevölkerung und Opposition aufgebracht.

Doch genau zu der Affäre äußerte sich Babiš im Parlament erneut nicht - was die Opposition kritisierte. Ein Politiker, gegen den offiziell ermittelt wird, hätte in den Augen vieler Abgeordneter erst gar nicht Regierungschef werden dürfen. Babiš erklärte lediglich, die Journalisten hätten eine zehn Jahre alte Geschichte an die Öffentlichkeit gezerrt und die labile psychische Lage seines Sohnes ausgenutzt. "Die ganzen Lügen hatten ein klares Ziel: den Sturz der Regierung."

Die mitregierenden Sozialdemokraten (CSSD) hatten bereits angekündigt, sich am Misstrauensvotum nicht zu beteiligen. Sie verließen vor der Abstimmung den Saal. Es sei "absurd" gegen die eigenen Minister zu stimmen, erklärte der stellvertretende Fraktionsvorsitzende Roman Onderka. Die Affäre "Storchennest" sei eine Angelegenheit des Premiers, die allerdings die Arbeit der Regierung erschwere.

Die Opposition hatte erklärt, sie wolle sich klar positionieren. Ihre Wähler seien in der Mehrheit. "Wir können vor dieser Situation nicht die Augen verschließen", sagte Ivan Bartoš, Vorsitzender der Piraten, der drittstärksten Fraktion im Parlament. Karel Schwarzenberg, früherer Außenminister von der Partei Top 09 forderte Babis auf: "Befreien Sie dieses Land und treten Sie zurück."

Es ist das 14. Mal innerhalb von 15 Jahren, dass das tschechische Parlament über das Vertrauen in die Regierung abstimmt. Nur Mirek Topolánek von der Partei ODS musste 2009 zurücktreten.

© SZ vom 24.11.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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