Was ist deutsch und was nicht? Müssen vom Verfassungsschutz beobachtete Studentenverbindungen ausgeschlossen werden? Fragen, die in den kommenden Tagen die Mitglieder des Dachverbandes Deutsche Burschenschaft (DB) beschäftigen. Am 22. November treffen sich die mehr als 115 Mitgliedsbünde für drei Tage in der Stuttgarter Sängerhalle, um über die Zukunft des DB zu beraten. Am Ende wird es aber während der außerordentlichen Sitzung vor allem darum gehen, ob die seit Monaten andauernden Streitereien zwischen den Burschenschaftlern endgültig zur Spaltung des Verbandes führen oder nicht.
"Ich hoffe, dass wir uns einigen können. Ansonsten werden einzelne Mitglieder ernsthaft über den Austritt nachdenken", sagt Michael Schmidt, Sprecher der als liberal geltenden Initiative Burschenschaftliche Zukunft (IBZ) im Gespräch mit Süddeutsche.de. Schließlich stelle man sich schon die Frage, warum man Geld an einen Verband zahle, der derzeit nicht handlungsfähig sei und in den Medien mit einer Gesinnung in Verbindung gebracht würde, die man selbst nicht vertrete.
Der Antrag zur Einführung eines "Arier-Nachweises" über die Deutschstämmigkeit von Mitgliedern der Alten Breslauer Burschenschaft der Raczecks zu Bonn hatte im Juni vergangenen Jahres die Frage aufgeworfen, wie mit rechtsextremen Tendenzen innerhalb des DB umgegangen werden soll. Christian Becker, damals noch "Alter Herr" der Raczecks, gründete die Initiative Burschenschafter gegen Neonazis. Im Juni 2012 sorgten deren Anhänger auf dem Eisenacher Burschentag für einen Eklat - sie stellten einen Antrag zur Auflösung des Dachverbandes. Rechtsextremismus solle nicht länger geduldet und offiziell finanziert werden, hieß es in der Begründung.
Der Vorstoß scheiterte. Noch während des Burschentags traten fünf Führungsmitglieder zurück, darunter auch Michael Schmidt von der IBZ. Auslöser war die Wiederwahl des Vorstandsmitgliedes Norbert Weidner zum "Schriftleiter" der Dachverbands-Zeitung Burschenschaftliche Blätter. Weidner, ebenfalls Mitglied bei den Raczecks, hatte zuvor einen Leserbrief in deren Zeitung, dem Bundesbrief, veröffentlicht. Darin bezeichnete er den NS-Widerstandskämpfer Dietrich Bonhoeffer als "Landesverräter".
Heute gelte es "als en vogue, jegliche Kritik am Nationalsozialismus zu glorifizieren, auch wenn die damaligen Kritiker sich zu Lasten von Deutschland und seinen Volksangehörigen wendeten", schrieb er. Angesichts der drohenden Spaltung des Dachverbandes musste der Eisenacher Burschentag damals vorzeitig abgebrochen werden. Christian Becker wurde im September dieses Jahres wegen "verbandsschädigendem Verhalten" aus seiner Burschenschaft ausgeschlossen.
Nun soll in Stuttgart der Neuanfang gelingen. Schwierig, wie sich bereits vor Beginn des Treffens zeigt: Der linken Internetseite Indymedia wurden von einer nicht genannten Quelle Tagungsunterlagen zugespielt, auch die 35 Anträge, die zur Abstimmung stehen sollen, sind bereits vor dem Treffen öffentlich. Erneut wird die Auflösung der DB gefordert.
Darüber hinaus zeichnet sich ein offener Konflikt zwischen den beiden größeren Lagern innerhalb des Verbandes ab: Deutschstämmigkeit wird als Voraussetzung für die Aufnahme in eine Burschenschaft erneut zum Thema gemacht. So sollen Bewerber "nichtdeutscher Abstammung nur bei vollendeter Assimilation an das deutsche Volk in eine Burschenschaft der Deutschen Burschenschaft" aufgenommen werden, heißt es in einem Antrag. Assimilation liege dann vor, wenn ein Bewerber "nichtdeutscher Abstammung hinsichtlich Sprache und Kultur nicht von einem Bewerber deutscher Abstammung unterscheidbar ist". Die bloße Integration in die deutsche Gesellschaft reiche für die Aufnahme nicht aus.
Auf der anderen Seite fordern einige Studentenverbindungen nicht nur die Absetzung von Weidner als Schriftführer ( gegen ihn läuft derzeit ein Gerichtsverfahren), sondern auch den Ausschluss dreier, teilweise als rechtsextrem geltender Burschenschaften - darunter auch die Raczeks. Ein Vorstoß, der Walter Tributsch, Sprecher des Dachverbandes Deutsche Burschenschaft zufolge für heftige Diskussionen sorgen wird. "Vom rechtlichen Standpunkt aus gesehen werden die Anträge jedoch keinen Erfolg haben", sagte er im Gespräch mit Süddeutsche.de.
Überhaupt gehe es bei dem Treffen nicht um die politische Ausrichtung des Dachverbandes sondern um die Wahl einer Vorsitzenden Burschenschaft. Während des Burschentags hatte sich kein Bund zur Wahl gestellt. Dass es zu einem Bruch kommen könnte, glaubt Tributsch nicht, sondern hält vielmehr Kompromisse für möglich.
Tatsächlich wird es vorab ein Treffen zwischen den Zusammenschlüssen Initiative Burschenschaftliche Zukunft und Burschenschaftliche Gemeinschaft geben. Letztere führt auch teilweise als rechtsextrem eingestufte Burschenschaften in ihrer Mitgliederliste. "Wir werden uns darüber abstimmen, wo Kompromisse möglich sind und auf welche Anträge verzichtet werden kann", sagt Michael Schmidt von der IBZ. Dennoch müsse ein klares Zeichen gegen rechts gesetzt werden.
Dabei geht es mittlerweile nicht nur um die Wiederherstellung des Friedens im Dachverband Deutsche Burschenschaft. Das zeigt die Antwort der Bundesregierung auf eine kleine Anfrage der Linken-Politikerin Ulla Jelpke im Oktober dieses Jahres. So lägen weiterhin keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür vor, dass der Dachverband Bestrebungen verfolgt, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gerichtet seien - eine Einschätzung, die die Bundesregierung bereits im Juli bezüglich einer ähnlichen Anfrage traf. In der aktuellen Antwort taucht jedoch folgender Hinweis auf: "Die Bundesregierung wird die weitere Entwicklung bei der DB anlassbezogen sorgfältig prüfen." Auf Nachfrage beim Bundesamt für Verfassungsschutz heißt es, man habe ein Auge auf die Vorgänge im DB. Man müsse aber vor allem das Treffen in Stuttgart abwarten.