Transsexuelle:Absurd hohe Hürden

Bis heute behandelt der Staat Menschen, die sich im "falschen Körper" geboren fühlen, ungerecht und hartherzig. Er will sie weiterhin zu Gutachtern und Richtern schicken, bevor er ihr empfundenes Geschlecht anerkennt. Das ist diskriminierend.

Von Ronen Steinke

Die Gruppe der Transsexuellen, also der Menschen, die sich "im falschen Körper" geboren fühlen, ist klein. Das Unrecht, das der Staat ihnen angetan hat, ist aber groß. Er hat sie pathologisiert und schikaniert über die Jahrzehnte, zu Psychiatern geschickt, zum Scheidungsrichter und schließlich zum Chirurgen. Nur wer sich unters Messer legte, bekam Respekt im "neuen" Geschlecht.

Nie hat es irgendjemandem etwas gebracht, diese Menschen so zu traktieren. Trotzdem will das Bundesjustizministerium es nicht ganz lassen. Einem Gesetzentwurf zufolge sollen Transsexuelle weiterhin vor Gutachter und Richter treten müssen, bevor die Regierung ihr empfundenes Geschlecht zur Kenntnis nimmt. Das erste fadenscheinige Argument: Man müsse Betroffene davor schützen, Unüberlegtes zu tun. Dafür türmt die Regierung höhere Hürden auf als selbst vor einem Schwangerschaftsabbruch; es ist absurd.

Das zweite Argument: Man müsse den Rechtsverkehr schützen. Ja? Vor den vielen Menschen, die ihr Geschlecht aus purem Jux umgeschrieben haben wollen? Um sich der Wehrpflicht zu entziehen, die es faktisch nicht mehr gibt? Die Schreckvorstellung ist längst lächerlich. Die Diskriminierung, die Transsexuelle erleiden, ist nichts, das Simulanten anziehen würde. Die fortdauernde Hartherzigkeit ist nur noch boshaft.

© SZ vom 23.05.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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