Transatlantischer Kampf ums Klima:High Noon in Heiligendamm

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Statt die Industriestaaten zu einen, könnte der anstehende Gipfel den Graben zwischen ihnen vertiefen. Im Vorfeld sind die großen Stolpersteine der transatlantischen Gespräche kaum auszuräumen.

Michael Bauchmüller

Es las sich alles noch ganz hübsch - zu Anfang des Jahres. Deutschland, nach acht Jahren wieder Kopf des Industrieländer-Clubs G8, hatte einen Entwurf für das Schlussdokument vorbereitet, Titel: "Wachstum und Verantwortung in der Weltwirtschaft". Nach Jahren, in denen sich die G-8-Gipfel mehr mit den Wirren der internationalen Politik als mit wirtschaftlicher Zusammenarbeit befassten, sollte das Treffen wieder Substanz bekommen - vor allem beim Klimaschutz.

Die Bundesregierung schrieb ein Papier, die Klimaforscher applaudierten: Von einer Halbierung der Kohlendioxid-Emissionen war da die Rede. Von der Begrenzung der Erderwärmung auf zwei Grad. Von festen Zielen für die Energieeffizienz.

Eine Woche vor Beginn des diesjährigen G-8-Gipfels ist nicht viel übrig vom ersten Entwurf. Das Schlussdokument ist zu einem Manifest transatlantischer Zerwürfnisse über den Klimaschutz mutiert, entstellt durch hässliche eckige Klammern - ein Indiz für schwer zu überbrückenden Dissens. Einige Teile sind spurlos aus dem Dokument verschwunden, andere, etwa die Kernkraft, überraschend hereingekommen. Und schon jetzt ist klar: Heiligendamm wird zum High Noon der internationalen Klimapolitik. Das Ende ist vollkommen offen.

Sturheit auf allen Seiten

Vier Mal hatten die Unterhändler versucht, sich bei den Positionen anzunähern. Normalerweise werden in solchen Runden alle wesentlichen Streitpunkte ausgeräumt. Die Staats- und Regierungschefs, denen für ernste Gespräche nächste Woche ohnehin nur einige Stunden bleiben, müssen dann nur noch die größten Stolpersteine ausräumen. Davon allerdings könnten diesmal erstaunlich viele übrig bleiben, denn beim Klimaschutz haben beide Seiten, Deutsche wie Amerikaner, auf stur geschaltet.

Schon im April hatten die Unterhändler aus Washington ihre Anmerkungen zum deutschen Entwurf nach Berlin geschickt. Reihenweise hatten sie Absätze des Klimakapitels gestrichen, konkrete Ziele getilgt, dafür ihren eigenen Ansatz herausgestrichen. Der orientiert sich an der Verbreitung neuer Technologien, nicht aber an festen Minderungszusagen.

Wie reagierten die deutschen Unterhändler? Sie ließen den Text, trotz aller Einwände, auf weiten Strecken unverändert, setzten hier und da etwas in Klammern, übernahmen einzelne Formulierungen aus amerikanischer Feder. Seither tobt der Streit.

USA auf der Suche nach Verbündeten

"Dieses Dokument wird als endgültig bezeichnet", ätzten amerikanische Unterhändler vorvergangene Woche in Schriftform, "aber wir haben nie irgendeiner Sprachregelung im Dokument zum Klima zugestimmt." Mehrere "rote Linien" seien in Fragen überschritten, denen die amerikanische Seite "einfach nicht zustimmen kann". Mehr noch: Nach SZ-Informationen kursiert mittlerweile ein eigener US-Vorschlag zum strittigen Klima-Kapitel - gegenüber der deutschen Verhandlungsführung nicht gerade ein freundlicher Akt. "Die USA gehen auf die Suche nach Verbündeten", heißt es aus Verhandlungskreisen.

Sollten sie diese finden, könnte die deutsche G-8-Agenda, statt neue Dynamik im Klimaschutz zu entfachen, zur Bedeutungslosigkeit degenerieren. Unklar ist bislang etwa, wie sich Kanada verhält, das zuletzt nicht gerade durch ambitionierten Klimaschutz auffiel und nun nicht einmal Stellung zu den deutschen Vorschlägen bezog. Ungewiss ist auch die Rolle Russlands, das nicht nur auf das Klima, sondern auch auf das gute Geschäft mit Öl und Gas achtet.

Und Japan, das im kommenden Jahr die G-8-Präsidentschaft übernimmt, tat sich zuletzt mit Vorschlägen hervor, die den internationalen Klimaschutz eher bremsen. Ein Allianz der Bremser jedoch wäre das Schlimmste, was der Bundesregierung in Heiligendamm passieren könnte - also sucht sie nun verzweifelt nach möglichen Kompromissen, notfalls auf Kosten des einst so ehrgeizigen Entwurfs.

Das freilich verlangt eine Menge Fingerspitzengefühl. Die Unterhändler der G-8-Staaten nehmen am Wochenende einen letzten Anlauf, um strittige Punkte auszuräumen. Hoffnungen auf einen Durchbruch hegen aber nur notorische Optimisten. Da stehen die Chancen am kommenden Mittwochnachmittag womöglich besser. Dann nämlich, kurz vor Beginn des offiziellen Gipfelprogramms, treffen Merkel und Bush noch einmal zusammen, um den transatlantischen Klimagraben zu überbrücken. Die Stimmung ist geladen. "Die Stunde der Wahrheit", sagt Umwelt-Staatssekretär Michael Müller, "schlägt in Heiligendamm nicht für Deutschland, sondern für die USA."

© SZ vom 30.05.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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