Tierschutz:Kalkulierter Rechtsbruch

Der Prozess gegen das Schreddern männlicher Küken könnte ein historischer Durchbruch sein.

Von Jan Heidtmann

Eigentlich sollte alles klar sein: "Niemand darf einem Tier ohne vernünftigen Grund Schmerzen, Leiden oder Schäden zufügen." So steht es in Paragraf 1 des Tierschutzgesetzes. Und wem das noch nicht genügt, der mag ins Grundgesetz schauen. Dort ist der Schutz der Tiere seit 2002 als ein Ziel staatlichen Handelns festgeschrieben. Gleichzeitig werden in Deutschland Jahr für Jahr 50 Millionen männliche Küken direkt nach dem Schlüpfen erst vergast, dann zerkleinert und schließlich in den Müll geworfen. Aus ökonomischem Kalkül - sie werden keine Eier legen und setzen im Unterschied zu Hennen nur wenig Fleisch an. Ist das der "vernünftige Grund"?

Erstmals hat nun eine Staatsanwaltschaft eine Brüterei wegen dieser perversen Praxis angeklagt. Sie stellt damit den kalkulierten Rechtsbruch infrage, den die Geflügelunternehmen seit Jahren begehen: Weil das Schreddern der Küken von den zuständigen Behörden geduldet wird, können sie sagen, sie wussten nicht um die Strafbarkeit. Von der "unglaublichen Macht des agroindustriellen Komplexes" sprechen die Tierschutzaktivisten von Peta. Nicht zu Unrecht.

Wenn nötig, wollen die Staatsanwälte in Münster den Fall bis vor den Bundesgerichtshof bringen. Sollte es ihnen gelingen, die fragwürdige Rechtfertigung der bisherigen Praxis anzufechten, wäre das dann tatsächlich der "historische Durchbruch", den die Tierschützer nun feiern.

© SZ vom 15.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: