Thomas Oppermann:"Ein Gestalter, ein Energiebündel"

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Ein Platz blieb frei: Die Trauerfeier für Thomas Oppermann am Mittwoch im Bundestag. (Foto: Bernd von Jutrczenka/dpa)

Politische Rivalen vereint im Gedenken: Der Bundestag trauert um Thomas Oppermann und erinnert an das wichtigste Leitbild des Sozialdemokraten.

Von Mike Szymanski, Berlin

Es ist Punkt zwölf im Bundestag und ein bisschen so, wie es später SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich beschreiben wird: "Es fühlt sich an, als würde die Zeit einfrieren." Es ist einer dieser verrückten, hektischen Tage mitten in der Corona-Pandemie, in der die Politik besonders gefordert sein wird. Eigentlich wird jetzt jeder Mann, jede Frau gebraucht. Aber einer fehlt und kommt nicht wieder: Bundestagsvize Thomas Oppermann von der SPD.

Unerwartet war der 66-jährige Parlamentarier am Sonntag in einem Göttinger Krankenhaus gestorben, nachdem er zuvor bei Dreharbeiten mit dem ZDF zusammengebrochen war. Das Parlament hat sich am Mittwoch versammelt, um Abschied zu nehmen, und hält inne. Kanzlerin Angela Merkel, die später mit den Regierungschefs der Länder in harte Verhandlungen gehen muss, weil neue Einschränkungen in der Corona-Krise unausweichlich erscheinen, sitzt mit regungsloser Miene im Plenarsaal. Auf der Besuchertribüne kämpfen Oppermanns Angehörige, seine Lebensgefährtin Petra Kirchhoff und drei seiner vier Kinder gegen die Tränen an.

Ein Kämpfer für die Rechte des Parlaments

Die Trauer um Oppermann hat in der SPD auch jene an diesem Tag im Plenarsaal zusammengeführt, die sich sonst eher aus dem Weg gehen: Die Ex-Vorsitzenden Andrea Nahles und Sigmar Gabriel sind gekommen. Altkanzler Gerhard Schröder ist angereist genauso wie der niedersächsische Ministerpräsident Stephan Weil, der seit Studienzeiten mit Oppermann befreundet war. In Niedersachsen hatte Oppermann seine politische Karriere gestartet, bevor er 2005 in den Bundestag wechselte. Dort war er in der vergangenen Wahlperiode Fraktionsvorsitzender. Nach der Wahl 2017 wurde er Vizepräsident des Bundestags.

Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU) würdigt ihn als "leidenschaftlichen Sozialdemokraten und Parlamentarier". Er sagt: "Ihm ging es um das Ansehen des Parlaments. Deshalb wies er auch bis zuletzt immer wieder auf die gerade in Zeiten der Pandemie unverzichtbaren Parlamentsrechte hin und forderte, sie selbstbewusst wahrzunehmen." Oppermanns "besonnene Art, sein Sachverstand, seine Kollegialität werden uns schmerzlich fehlen". Schäuble erinnerte an Oppermanns letzte Rede im Bundestag vor drei Wochen. Damals habe Oppermann gesagt: "Das Vertrauen ist das wertvollste Kapital der parlamentarischen Demokratie, und ich finde, wir sollten einen pfleglichen Umgang damit sicherstellen." Für dieses wertvollste Kapital habe sich Oppermann mit "großer Leidenschaft" eingesetzt.

Für die SPD-Fraktion, die Oppermann von 2013 bis 2017 führte, spricht Rolf Mützenich. Er ruft mahnende Sätze Oppermanns in Erinnerung, auch zum Umgang mit der rechtspopulistischen AfD im Bundestag. Im Parlament sei "scharfe inhaltliche Kritik erlaubt, die Verachtung der parlamentarischen Arbeit dagegen nicht". Oppermann vertrat die Linie, beim Einzug der AfD in den Bundestag "von Anfang an unmissverständlich auf die Einhaltung der Regeln zu pochen". Mützenich sagt: "Wir sind es Thomas Oppermann schuldig, dass diese Sätze auch in Zukunft Gültigkeit besitzen." Oppermann sei "ein Stratege, ein Gestalter, ein Energiebündel und ein feiner Kerl" gewesen.

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