Da ist die Sache mit der Pistole. Modell Unique 17, Kaliber 7,65 Millimeter. Der Bundeswehroffizier Franco A. hatte sie im vergangenen Jahr in einer Flughafentoilette in Wien gebunkert, er hatte sie dort lange liegen lassen. Aber es ist eine historische Waffe, fast hundert Jahre alt, ein Sammlerstück aus der Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg, hergestellt in Frankreich. Mit einer solchen Waffe soll er in Deutschland einen Anschlag beabsichtigt haben?
Der linkische junge Mann, 28 Jahre alt, ist von Beginn an rätselhaft geblieben, sein Fall ist einer der ungewöhnlichsten der letzten Jahre. Im vergangenen April schreckte Franco A. die Republik mit der Geschichte seines Doppellebens auf. Einerseits war er Bundeswehr-Oberleutnant, stationiert bei der Deutsch-Französischen Brigade. Andererseits hatte er offenbar eine Zeit lang ein zweites Leben geführt. Getarnt als vermeintlicher syrischer Flüchtling, registriert in Bayern.
Der Fall löste schwere Befürchtungen aus. Die Ermittler der Bundesanwaltschaft glauben, Franco A. habe geplant, einen rechts motivierten Terroranschlag zu begehen und dabei eine falsche Fährte zu Flüchtlingen zu legen. Der Fall löste auch eine Debatte um rechte Umtriebe in der Bundeswehr aus. Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) brachte Teile der Truppe gegen sich auf, als sie sagte: "Die Bundeswehr hat ein Haltungsproblem, und sie hat offensichtlich eine Führungsschwäche auf verschiedenen Ebenen."
Selten ist die Gedankenwelt eines Verdächtigen so gut dokumentiert gewesen
Nun drängen Ermittler der Bundesanwaltschaft, den Terrorverdacht unbedingt noch vor Gericht zu bringen. Denn die Richter, sie sind am Oberlandesgericht Frankfurt zuständig für Staatsschutzsachen, wollen einen Terrorprozess gegen Franco A. gar nicht erst eröffnen. Ein Jahr nach der großen Aufregung ist dies der ernüchternde Zwischenstand. Dagegen haben die Ermittler der Bundesanwaltschaft Beschwerde bei der höheren Instanz eingelegt, dem 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs. Die Ermittler ergreifen ihre letzte Chance, noch eine Terroranklage gegen Franco A. zugelassen zu bekommen. Scheitern sie, ist die Aufklärung zu Ende.
Selten ist die Gedankenwelt eines Verdächtigen so gut dokumentiert gewesen. Die Frankfurter Richter haben in den vergangenen Monaten Audio-Aufnahmen angehört. Es sind Franco A.s Selbstgespräche, er hat sie teils im Sprachstil eines schlechten Hitler-Imitators aufgenommen. Für die Richter ist das Bild eines rechten Spinners entstanden, gestützt auch durch viele Chat-Nachrichten, in denen er sich wirr und hasserfüllt äußert. Die Aufenthalte im Flüchtlingsheim hatte er gefilmt und ausgiebig kommentiert. Dennoch, was wirklich in seinem Kopf vorging, ist für die Juristen nun eine Frage der Interpretation. Der Beschuldigte schweigt.
War Franco A. "fest entschlossen", einen Anschlag zu begehen? Dies ist die Frage, über die zwischen den Juristen gerungen wird. Es reicht nicht, wenn A. einen Anschlag nur in Betracht gezogen, erwogen, angedacht hat. Ein "fester Entschluss" muss es sein. Sonst ist er nicht strafbar. Darauf hat in ähnlichen Fällen der Bundesgerichtshof (BGH) immer wieder beharrt. Sonst würde der Terrorparagraf 89a des Strafgesetzbuchs ("Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat") uferlos. Eine bestimmte Tathandlung setzt der Paragraf nicht voraus. Wenigstens der Vorsatz also soll sehr klar sein.
Nach den Ermittlungen sind die Richter skeptisch, ob sie einen Terrorplan nachweisen können
Womöglich wollte Franco A. morden. Das geben die skeptischen Frankfurter Richter zu. Dafür sprechen Namenslisten, die man bei Franco A. fand, auf ihnen standen Politiker wie Heiko Maas oder Claudia Roth - wobei nicht ganz klar ist, wie viel von A. selbst ausging und wie viel von rechtsradikalen Kumpanen, mit denen er sich austauschte. Skeptisch sind die Frankfurter Richter dennoch geblieben.
Franco A. hatte sich Waffen besorgt. So viel ist sicher. Aber dann hatte er ein Dreivierteljahr lang nichts mehr getan. Das hat die Richter stutzig gemacht. Hatte A. etwa bloß mit einem Gedanken gespielt? Hatte er es sich dann anders überlegt? Vielleicht wollte er noch klären, ob die Voraussetzungen für seinen Mordplan gegeben waren. Ergebnis: offen. Nach monatelangen Ermittlungen zweifeln die Richter an, ob man diese Fragen seriös beantworten können wird. Und falls nein: Darf man jemanden auf so dünner Grundlage einsperren?
Die Bundesanwaltschaft widerspricht. Es sei nicht unlogisch, dass Franco A. zwar alles beisammen hatte, was er für einen Anschlag brauchte, aber dennoch monatelang nichts tat. Er habe, so glauben die Ermittler, noch auf den richtigen Zeitpunkt und eine günstige Gelegenheit gewartet. Womöglich wollte er die Tat noch besser vorbereiten. In Zeiten, in denen Flüchtlingsheime brennen, hat dieser Appell der Staatsanwälte besondere Brisanz: Es sei zu früh, das mutmaßliche rechtsterroristische Komplott von Franco A. schon für erledigt zu erklären, fordern sie. Die Richter hätten bisher nur die leblose Akte vor sich gehabt. Ein Angeklagter und sein Motiv seien aber nur in der öffentlichen Hauptverhandlung umfassend zu bewerten.
Die Richter im 3. Strafsenat des BGH haben schon angedeutet, wie skeptisch auch sie die Chancen sehen, Franco A. einen Terrorplan nachzuweisen. Sie haben ihn bereits aus der Untersuchungshaft freigelassen. Wenn sie die Entscheidung ihrer Frankfurter Kollegen unterstützen, die Vorwürfe gegen Franco A. auch endgültig fallenzulassen, dann würde nur eines übrig bleiben: der unerlaubte Waffenbesitz. Der Fall käme vor das Landgericht Darmstadt. Das ist örtlich zuständig, weil A. in Offenbach gemeldet war.
Die Darmstädter Strafjustiz gilt als streng. Man sei dort "südlich des Weißwurstäquators", scherzen Juristen in Hessen. Dennoch dürfte die Strafe für Franco A. dann gering ausfallen. Unerlaubter Waffenbesitz ist kein so schwerer Vorwurf wie die Planung eines Terroranschlags.