Terrorverdacht:Rückkehr in den Dschihad

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Bei Razzien werden sechs IS-Aussteiger aus Syrien festgenommen, weil sie sich offenbar erneut radikalisiert hatten. Ihnen wird vorgeworfen, einen Anschlag auf ein öffentliches Ziel geplant zu haben.

Von Ronen Steinke, Berlin

Die sechs Männer kannten sich schon aus ihrer alten Heimat, aus Syrien. Im Krieg dort sollen sie eine Zeit lang als Waffenbrüder auf der Seite der sunnitischen Extremistenmiliz gestanden haben, die sich "Islamischer Staat" (IS) nennt. Über Flüchtlingsrouten waren sie nach Deutschland gekommen, vier von ihnen im Dezember 2014, die anderen im August und September 2015, alle unter falschen Namen. Aber offenbar nicht als islamistische Schläfer mit einem Auftrag. Nicht als "Hit Team" des IS, wie ein hochrangiger deutscher Ermittler betont. Sondern als was? Als Flüchtlinge, die ihre Vergangenheit anfangs abstreifen wollten?

Das scheint zumindest die erste Hälfte dieser Geschichte zu sein. Die zweite wurde am frühen Dienstagmorgen bekannt. Bei einer Großrazzia in vier Bundesländern wurden die sechs Syrer im Alter zwischen 20 und 28 Jahren festgenommen. Bis zuletzt hatten sie hier ohne Konflikte mit dem Gesetz gelebt. Sie besuchten Deutschkurse, hatten Wohnungen. Kontakt zum IS bestand anscheinend nicht. Nun würden sie verdächtigt, "einen Anschlag mit Waffen oder Sprengstoff auf ein öffentliches Ziel in Deutschland vorbereitet zu haben", teilte die Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt mit. Das nordrhein-westfälische Innenministerium erklärte, ein Spezialeinsatzkommando in Essen habe einen Syrer festgenommen und zwei Wohnungen durchsucht. Razzien gab es laut den Frankfurter Anklägern zudem in Kassel, Hannover und Leipzig. Dabei waren 500 Beamte im Einsatz.

Die Männer sollen die "Vorbereitung" eines Anschlags besprochen haben

Pressemeldungen, wonach die sechs Syrer sich als Anschlagsziel bereits den Essener Weihnachtsmarkt oder ein Essener Einkaufszentrum ausgesucht hätten, wies der ermittelnde Staatsanwalt Christian Hartwig auf Anfrage der SZ zurück. Zwar soll der Jüngste aus der Gruppe vor einiger Zeit in Essen Fotos von dem Einkaufszentrum gemacht haben, das im März wegen einer bis heute nicht aufgeklärten Anschlagsdrohung geschlossen worden war. Aber jedenfalls in der Kommunikation sei von einem solchen Anschlagsziel nicht die Rede gewesen. Eher sei es allgemein um den Dschihad gegangen, den sogenannten heiligen Krieg. Die Männer hätten nur die "Vorbereitung" eines Anschlags besprochen, also die Beschaffung von Tatmitteln. Bei der Razzia fand man noch nichts derartiges, keinen Sprengstoff und keine Waffen. Also alles nur Gerede? Die Möglichkeit besteht, sagt der Staatsanwalt. Lieber greift man einmal zu früh ein als einmal zu spät.

Ermittler bekommen derzeit sehr oft Hinweise auf mutmaßliche ehemalige IS-Kämpfer unter den Flüchtlingen aus Syrien oder dem Irak. Meist sind die Tippgeber selbst Flüchtlinge. Oft handelt es sich um falsche Beschuldigungen, manchmal um Verwechslungen. Der Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz, Hans-Georg Maaßen, lobte kürzlich, "weit über 80 Prozent" dieser Hinweise seien "belastbar". Andere äußern sich skeptischer.

Die sechs Syrer seien kooperativ, hieß es am Dienstag. Alle ließen sich widerstandslos festnehmen. Einige äußerten sich nach Angaben der Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt auch bereits zu den Vorwürfen gegen sie.

© SZ vom 22.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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