Terrordrohung gegen Deutschland:Krieger im Internet

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Die Video-Drohungen haben eine neue Qualität erreicht: Die Botschaften sind präziser und spielen mit den Ängsten in Deutschland und Österreich.

Annette Ramelsberger

Islamistische Extremisten haben Deutschland und Österreich am vergangenen Wochenende mit Anschlägen im eigenen Land gedroht, wenn sie ihre Truppen nicht aus Afghanistan abziehen. Sie haben das nicht beiläufig getan wie früher ihre Führer Osama bin Laden oder dessen Stellvertreter Ayman al-Zawahiri. Sie haben es auch nicht brachial getan wie manche Geiselnehmer, die ihre wimmernden Opfer an die Bundesregierung appellieren lassen, den Forderungen der Entführer nach Abzug der Truppen aus Afghanistan nachzukommen. Diesmal wirkt die Drohung viel raffinierter, viel zielgenauer - wie maßgeschneidert auf die Ängste und Zweifel in den beiden Ländern.

Für Fachleute hört sich das Video an, als wäre es von Deutschen für Deutsche gedreht. Keine ausufernden Koranverse, kein umständliches Rezitieren. Die Heiligen Krieger des Internets kommen schnell auf den Punkt: Im Video wird unverblümt gefragt, warum die Deutschen sich an die Seite des amerikanischen Präsidenten George W. Bush stellen und damit das Augenmerk von Dschihadisten auf ihre Länder lenken? "Der weise Mensch zerstört seine Sicherheit nicht durch seine eigenen Hände", heißt es.

"Das Video schlägt eine intellektuelle Brücke zwischen Morgen- und Abendland", beschreibt es ein Ermittler im Gespräch mit der Süddeutschen Zeitung. "Es arbeitet mit einer Subtilität und Raffinesse, die wir bisher nicht kannten." Denn es droht zwar nicht martialisch, sondern verstärkt aber ein Unwohlsein in Deutschland, ob die Unterstützung der Amerikaner in Afghanistan sinnvoll ist.

Gerade haben 69 Abgeordnete des Bundestags gegen den deutschen Tornado-Einsatz am Hindukusch gestimmt. "Das Video ist psychologische Kriegsführung", sagt ein hoher Verfassungsschützer. "Wir müssen das ernster nehmen als alles, was wir bisher gesehen haben."

Da tauchen die Signets von BMW, Mercedes und VW auf, als Beispiele für verletzlichen Wohlstand in Deutschland. Oder die Ansicht eines Urlaubshotels mit dem unheildräuenden Text: "Bisher ist Österreich eines der sichersten Länder der ganzen Welt. Sein Volk kennt keine richtige Bedrohung, seine Wirtschaft ist rosig ...Doch sobald es auf einer Liste der Länder steht, die von Mudschahedin bedroht werden, wird sich diese Lage ändern."

Beckstein warnt vor Studenten

Die Verfasser sind offensichtlich vertraut mit den aktuellen politischen Debatten in Deutschland und Österreich. Sie nennen die genaue Zahl der deutschen Soldaten, die in Afghanistan stationiert sind, sie wissen, dass Österreich nur fünf Leute dort hat und zeigen die Offiziere im Bild. Und sie spielen auf die Einführung von Studiengebühren an, die die österreichische Studentenschaft erregt hat. Dieser Hinweis ist für den bayerischen Innenminister Günther Beckstein (CSU) Grund genug, die Universitäten zu verstärkter Wachsamkeit aufzurufen.

"Dort sollte auf Studenten und Mitarbeiter geachtet werden, die sich durch besondere Verhaltensweisen wie einen Bruch im Lebenswandel, Gewaltbereitschaft, radikal-verbale Äußerungen oder Beschäftigung mit einschlägiger Literatur auffällig in Richtung islamistischer Fundamentalismus verändern", sagte er.

Den Auswertern des Videos ist klar: Wer sich so gewählt ausdrückt wie in dem Video, sowohl in bestem hocharabisch als auch in einer stilistisch einwandfreien deutschen Übersetzung, muss ziemlich gebildet sein, womöglich studieren. Oder er ist selbst Deutscher und hat sich das islamistische Gedankengut zu eigen gemacht, könnte einer der deutsche Konvertiten sein, die sich oft betont radikal geben. "Wir beobachten seit langem, dass Konvertiten besonders empfänglich sind für radikale Interpretationen des Koran. Wir haben immer wieder erlebt, dass solche Menschen sehr problematisch werden können", sagt Hartwig Möller, der Chef des Verfassungsschutzes in Nordrhein-Westfalen.

Erschienen ist das Video auf der "Globalen islamischen Medienfront" (GIMF), einer Internetplattform, die nach Einschätzung von Nachrichtendiensten Kontakt zum Terrornetzwerk al-Qaida hat. Früher gab es die Aufrufe dort nur in Arabisch, dann in Englisch, seit 2006 nun auch in Deutsch. Spiegel-TV ist es vor kurzem gelungen, einen der GIMF-Mitarbeiter zu einem Interview zu bekommen, natürlich vermummt.

Der Mann sagte freimütig und mit Wiener Akzent: "Nach außen hin führen wir ein ganz normales Leben. Wir sind Lehrer, Studenten oder Angestellte. Aber in Wirklichkeit befinden wir uns in einem speziellen Krieg gegen die Amerikaner." Und gegen deren Verbündete, überall, auch in Deutschland und Österreich.

© SZ vom 15. März 2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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