Terroranschläge in Mumbai:Brandgefährliche Manöver

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Ablenkung oder ernsthafter Verdacht: Nach den Terroranschlägen in Mumbai bezichtigt die indische Regierung Erzfeind Pakistan als Drahtzieher und nährt damit alte Spannungen. Immerhin gibt es einen Funken Hoffnung.

Oliver Meiler

Es sind nicht mehr nur vage Andeutungen, nicht mehr nur diplomatisch verhüllte Mutmaßungen. Indien zeigt plötzlich mit deutlicher Geste auf Pakistan. Das ist ein Grund zur großen Sorge im Spannungsfeld der verfeindeten Atomstaaten.

Indische Einsatzkräfte im Nariman: Für die Anschläge macht die indische Regierung pakistanische Extremistengruppen verantwortlich. (Foto: Foto: Reuters)

Der indische Premierminister forderte seinen Amtskollegen in Islamabad auf, den Chef des militärischen Geheimdienstes nach Delhi zu entsenden. Der soll dort seinen Beitrag leisten bei der Untersuchung der Anschläge von Mumbai, bei der Identifizierung jener Guerillakommandos, die über die Handelsmetropole hergefallen sind.

Die Inder sind der festen Überzeugung, dass die Operation in Pakistan geplant worden war. Die Terroristen sollen in Karachi abgelegt haben, in einem Fischerboot, bevor sie vor Mumbai auf Gummiboote umstiegen, Maschinenpistolen und Granaten im Gepäck.

Viele Hinweise sind der Öffentlichkeit bisher nicht bekannt. Nur so viel: Einer der verhafteten Terroristen soll aus dem pakistanischen Punjab stammen. Drei weitere sollen der Extremistengruppe Lashkar-e-Taiba angehören, jener Organisation also, die der pakistanische Geheimdienst in den 80er Jahren mit der Hilfe von Osama bin Laden als Kampftruppe für den Konflikt im Kaschmir aufgebaut hatte. Doch offenbar reichen die ersten Erkenntnisse der Ermittler schon aus für einen klaren Fingerzeig.

Nun kann es natürlich sein, dass die indische Regierung mit der Anschuldigung nur von sich ablenken möchte. Sie steht unter Druck. Bald finden Parlamentswahlen statt, und die Gegner, die Hindu-Nationalisten, werfen der Regierung vor, sie sei zu weich in ihrem Kampf gegen den Terrorismus, sie mache sich damit zur Komplizin des Bösen, sie habe untätig zugesehen, wie in den vergangenen Jahren einheimische Terrorgruppen gewachsen seien. Kann es also sein, dass die indische Regierung nur Propaganda betreibt, wenn sie nach Pakistan zeigt?

Es wäre ein billiges Manöver. Und ein gefährliches obendrein. Vor sieben Jahren standen die beiden Atommächte schon einmal am Rande eines Krieges, nachdem fünf Extremisten mit Schnellfeuerwaffen und Granaten einen Anschlag auf das indische Parlament verübt hatten. Es gibt Parallelen zu den Angriffen von Mumbai, das Muster ist ähnlich. Schon damals vermuteten die Inder, dass es sich um pakistanische Islamisten gehandelt hatte. In der Folge massierten beide Länder ihre Truppen an den Grenzen. Erst nach monatelangem Säbelrasseln entspannte sich die Lage wieder.

Das Misstrauen aber blieb. Aus indischer Sicht galt es stets dem notorischen Inter Services Intelligence, dem Geheimdienst Islamabads. Darin soll es einzelne "faule Elemente" geben, die sich der Kontrolle der Staats- und Armeespitze entziehen. Der pakistanische Premier jedenfalls entsprach nun der Bitte seines Kollegen und wird den Chefspion seines Landes nach Delhi schicken - zur gemeinsamen Untersuchung eines gemeinsamen Feindes. Das hat es bis dahin noch nie gegeben. Immerhin.

© SZ vom 29.11.2008/cag - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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