Terror:Amri-Ausschuss nun auch in Berlin

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Das Verhalten der Hauptstadt-Ermittler im Fall Amri soll parlamentarisch untersucht werden.

Von Jens Schneider, Berlin

Nach dem Bekanntwerden von möglichen Vertuschungsversuchen im Fall des Attentäters Anis Amri soll jetzt im Berliner Abgeordnetenhaus ein Untersuchungsausschuss einberufen werden. Darauf verständigten sich die Spitzen der drei Fraktionen des rot-rot-grünen Senats. Der Tunesier Amri hatte am 19. Dezember des vergangenen Jahres bei einem Anschlag auf den Weihnachtsmarkt an der Berliner Gedächtniskirche zwölf Menschen getötet. Danach war bekannt geworden, dass Amri von den Behörden über Monate als islamistischer Gefährder beobachtet worden war, sich aber weitgehend unbehelligt in Deutschland bewegen konnte.

In der vergangenen Woche hatte Berlins Innensenator Andreas Geisel (SPD) die Öffentlichkeit zudem darüber informiert, dass gegen Amri wegen seiner Verwicklungen in Drogengeschäfte bereits Monate vor dem Attentat ein Haftbefehl möglich gewesen wäre. Somit wäre laut Geisel der Anschlag vom 19. Dezember möglicherweise zu verhindern gewesen. Zunächst hieß es stets, dass Amri wohl lediglich "Kleinsthandel" mit Drogen betrieben habe.

Geisel bezog sich dabei auf ein Dokument, das durch die Recherchen des vom Berliner Senat eingesetzten Sonderermittlers Bruno Jost zum Vorschein gekommen war. Zudem wurde ein weiteres Dokument entdeckt, das Amris Verwicklung in die Drogenszene in deutlich milderem Licht darstellt. Es soll im Januar erstellt, aber auf den letzten November rückdatiert worden sein. Gegen zwei LKA-Beamte wurden bereits Ermittlungen eingeleitet. Nun soll zudem eine Task-Force mit 14 Beamten die Arbeit des Landeskriminalamts in der Sache überprüfen. Die Beamten sollen laut Innenstaatssekretär Torsten Akmann (SPD) "jeden Stein umdrehen, jedes einzelne Blatt, jede Datei".

Der Parlamentarische Untersuchungsausschuss soll im Sommer eingesetzt werden und an die Arbeit des Sonderermittlers Jost anknüpfen, der seit April im Auftrag des Senats die Hintergründe des Falls Amri prüft. "Die gute Arbeit des Sonderermittlers hat sehr schnell gravierende Einzelfehler der Sicherheitsbehörden aufgezeigt", lobten die Fraktionsspitzen. Deshalb seien nun auch strukturelle Fragen des Berliner LKA und der gesamten Sicherheitsarchitektur zu klären.

Jost hat für den 3. Juli einen Zwischenbericht angekündigt. Der Berliner Ausschuss wird der zweite in einem Landesparlament zu Amri sein. In Nordrhein-Westfalen prüft ebenfalls ein Untersuchungsausschuss, wie Amri den Anschlag verüben konnte, obwohl er als islamistischer Gefährder bekannt war.

© SZ vom 23.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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