Tennis:Fremd auf der großen Bühne

Lesezeit: 3 min

Er war auf dem Weg in die Top 50, glänzte gegen Tsonga und Nadal. Verletzungen warfen Peter Gojowczyk zurück. Nun tastet sich der 27-Jährige wieder heran.

Von Matthias Schmid, Stuttgart

"Nervöser als sonst": Peter Gojowczyk bei seiner Niederlage in Stuttgart gegen Benoit Paire. (Foto: Philippe Ruiz/imago)

Die schwarze Couch auf dem grünen Rasen war schick und bequem. Sie schüchterte Peter Gojowczyk aber ein bisschen ein. Während sein Gegner, der Franzose Benoit Paire, sich während der Seitenwechsel nach hinten lehnte und lässig die Beine übereinander schlug, saß Gojowczyk stocksteif und aufrecht darauf. Es war nicht zu übersehen, dass sich der Münchner nicht wohlfühlte, er ist es nicht mehr gewohnt, auf den großen Plätzen mit den vielen kleinen Annehmlichkeiten zu spielen; bei den Challenger-Turnieren, der zweiten Ebene im professionellen Tennis, wo er meistens unterwegs ist, stellt der Turnierveranstalter harte, unbequeme Stühle hin. Wenn überhaupt. Der Weltranglisten-146. schlägt dann nicht in Stadien auf, sondern auf Tennisplätzen, wie man sie in München oder in anderen deutschen Städten in jedem Viertel vorfindet.

Alles war also anders am Donnerstagabend für Gojowczyk auf dem Stuttgarter Killesberg, wo in dieser Woche ein Rasenturnier der ATP-Tour ausgespielt wird. "Ich war auch nervöser als sonst", gab er nach seiner Zweisatzniederlage zu, "ich bin nicht richtig reingekommen, weil es etwas laut war auf dem Center Court. Damit muss ich wieder klarkommen."

Der 27-Jährige ist ein gutes Beispiel für die großen und kleinen Geschichten auf der Profitour. Seine handelt von einem hochbegabten Tennisspieler, der schon Rafael Nadal einen Satz abgenommen hat, 2014 in Doha, der im Davis Cup den Top-Ten-Spieler Jo-Wilfried Tsonga in fünf mitreißenden Sätzen besiegt hat und auf dem Weg in die Top 50 der Weltrangliste war, ehe Verletzungen ihn stoppten. Zuletzt musste er zwei Monate pausieren, weil ihm ein Nerv am linken Fuß entfernt worden ist. Das sogenannte Morton Neurom mit Schmerzen und Taubheitsgefühlen hatte ihn schon Anfang 2015 so sehr am rechten Fuß geplagt, dass er sich ebenfalls auf den Operationstisch legen musste. Vier Monate Pause waren die Folge. Dass es diesmal nur die Hälfte war, macht es nur ein wenig erträglicher. "Ich hoffe, dass ich endlich mal Ruhe habe mit Verletzungen", sagt Gojowczyk.

Er ist einer dieser Konjunktiv-Sportler. Was könnte er erreichen, wenn er mal einige Jahre ohne Beschwerden durchspielen würde? Eine Ahnung davon haben die Zuschauer in Stuttgart bekommen können. Gojowczyk spielt attraktives Tennis, das vom Publikum mit vielen Aaahs und Ooohs begleitet wird. Er schlägt rasant auf, vermag die Vorhand enorm zu beschleunigen und Ballwechsel auch vorne am Netz mit einem Flugball zu beenden. Auch mit der Rückhand versteht er es zu punkten. In guten Momenten kann er Spieler wie Paire, der schon einmal auf Platz 18 im Ranking stand, vorführen. Doch in seinen schlechten Momenten unterlaufen Gojowczyk so viele Fehler wie einem Hobbyspieler, er schlägt die Vorhand dann so unerwartet weit ins Aus, dass der Linienrichter in Deckung gehen muss. Gegen Paire überwogen die schlechten Momente, "das war sehr bitter", gab er zu. Nicht einmal 43 Minuten waren gespielt, als er 2:6 und 2:5 zurücklag. Ihm gelangen zwar noch zwei Spielgewinne, doch nach 52 Minuten war die Vorführung im doppelten Sinne vorbei. "Ich habe nie zu meinem Spiel gefunden", befand Gojowczyk.

Dennoch war es für ihn eine Niederlage, die Mut macht. Der gebürtige Dachauer spielte sich über die Qualifikation ins Hauptfeld und besiegte in der ersten Runde den georgischen Weltranglisten-55. Nikoloz Basilashvili in drei Sätzen. Unter die besten 80 will er auch bald wieder kommen. Bis auf Position 79 war er im Jahr 2014 geklettert, nachdem er in Doha und Halle jeweils das Viertelfinale erreicht und weitere gute Ergebnisse gesammelt hatte. Was ihm noch zu Spielern wie Paire fehle? "Matches, Matches, Matches", entgegnet er ruhig. "Ich muss jetzt einfach viele Spiele auf diesem Niveau spielen."

Nach Stuttgart wird er sich in München ein paar Tage erholen und mit seinem neuen Trainer Alexander Satschko trainieren, ehe er nach England aufbricht. Er hatte sich zu Beginn des Jahres von seinem langjährigen Coach Lars Uebel und der Tennisbase in Oberhaching losgesagt und ist nach Oberföhring zur Sport-Scheck-Anlage zurückgekehrt. "Neue Impulse sind immer gut", sagt Gojowczyk. Er wird sich mit einem Challengerturnier auf Wimbledon vorbereiten. Beim bekanntesten Tennisturnier des Planeten wird er in der Qualifikation aufschlagen, er hofft, sich einen Platz im Hauptfeld erspielen zu können. Vielleicht darf er dann sogar gegen Titelverteidiger Andy Murray oder Roger Federer auf dem Centre Court antreten. Gojowczyk sagt: "Ich muss einfach über Siege mein Selbstvertrauen aufbauen." Dann kann er sich vielleicht auch bald so lässig wie Paire in die Couch fallen lassen.

© SZ vom 17.06.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: