Tarifrunden:Auf in den Mai

Was Verdi und IG Metall gemeinsam haben - und was nicht.

Von Detlef Esslinger

Der 1. Mai ist nicht dafür geschaffen worden, damit Gewerkschafter leise Reden halten. Am 1. Mai wird auf den Putz gehauen, erst recht, wenn der Kalender es fügt, dass die IG Metall an dem Tag in der Metall- und Elektroindustrie gerade aus der Friedenspflicht heraus ist - und unabhängig davon, dass Verdi sich gerade mit Bund und Kommunen auf 4,75 Prozent mehr Geld geeinigt hat.

Was Tarifrunden betrifft, gibt es zwischen den beiden Gewerkschaften eine Gemeinsamkeit und einen Unterschied. Die Gemeinsamkeit ist, dass beide Organisationen grundsätzlich das Gefühl brauchen, einen Abschluss nicht nur ausgehandelt, sondern erkämpft zu haben. Deshalb die Warnstreiks von Verdi (die nun vorbei sind); deshalb die Warnstreiks, die die IG Metall auch für diese Woche wieder angekündigt hat. Der Unterschied ist, mit welchem erkämpften Ergebnis sich die beiden Gewerkschaften jeweils zufrieden geben: Bei Verdi hat man sich daran gewöhnt, dass die Gewerkschaft weniger als die Hälfte dessen durchsetzt, was sie ursprünglich gefordert hat. Sechs Prozent für ein Jahr sollten es ursprünglich sein; 4,75 Prozent für zwei Jahre wurden es.

Die IG Metall hingegen verlangt fünf Prozent für ein Jahr - und sie will immer etwas mehr als die Hälfte dessen durchsetzen, was sie fordert. "Provokant" nannte ihr Chef am 1. Mai das Angebot der Arbeitgeber. Die Rhetorik offenbart: Diese Auseinandersetzung wird noch dauern.

© SZ vom 02.05.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: