Südkorea:Alles auf Anfang

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Das südkoreanische Verfassungsgericht hat die schwer belastete Präsidentin Park des Amtes enthoben. Damit hat die junge Demokratie ihre Reifeprüfung bestanden. Der alte Filz ist weggeräumt. Doch die Wende kommt für das das nicht ausreichend vorbereitete Land unerwartet.

Von Christoph Neidhart

Reifeprüfung bestanden: Die junge südkoreanische Demokratie hat sich bewährt. Mit der Amtsenthebung der Präsidentin Park Geun-hye hat das Verfassungsgericht einen oligarchischen Filz aufgerissen. Diesen hatte Parks Vater, der einstige Militärdiktator Park Chung-hee, zwischen der Politik und den Chaebol, den Familienkonzernen wie Samsung, Hyundai und Lotte geschaffen. Er wollte so seine Planwirtschaft ankurbeln. Nun, 30 Jahre nach dem Sturz der Diktatur, hat die Demokratie die letzte Statthalterin jener Elite abgesetzt, die sich damals den Mantel der Demokratie überstreifte. Künftig steht Südkoreas Staatsoberhaupt nicht mehr über den Gesetzen - und die Chaebol tun es auch nicht mehr.

Die Verfassung schreibt vor, den nächsten Präsidenten binnen 60 Tagen zu wählen, also spätestens am 9. Mai. Da die Konservativen nach dem Rückzug des Ex-UN-Generalsekretärs Ban Ki-moon keinen tauglichen Kandidaten haben, wird ein Liberaler gewinnen. Die moderate Linke kontrolliert bereits das Parlament, Südkorea wird also nach links rücken.

Obwohl Außenpolitik im Wahlkampf keine Rolle spielen wird, verändert sich damit das Machtgefüge ganz Nordostasiens. Der künftige Präsident wird Südkoreas Beziehungen zu China reparieren wollen, die Peking aus Protest gegen die Stationierung des amerikanischen Raketenabwehrsystems Thaad in den vergangenen Wochen sabotiert hat, um Druck auf Korea auszuüben. Er dürfte zudem einen informellen Kontakt nach Nordkorea suchen, obwohl das seit dem Machtantritt des dortigen Diktators Kim Jong-un ein schier unmögliches Abenteuer ist. Zu den USA wird der neue südkoreanische Staatschef dagegen eher auf Distanz gehen und sich auch klarer gegen Japan abgrenzen, vor allem in Fragen der gemeinsamen Geschichte.

Unter Roh Moo-hyun, dem letzten liberalen Präsidenten, diskutierte Südkorea offen über einen Abzug der US-Truppen. Die Ostasien-Politik wird damit noch unberechenbarer, als sie es wegen US-Präsident Donald Trump ohnehin schon ist.

Das Verfassungsgericht hielt es für erwiesen, dass Park ihrer Freundin Choi Soon-sil half, Samsung und Lotte Millionen abzupressen. Zudem soll sie es ihrer Vertrauten ermöglicht haben, heimlich mitzuregieren, indem sie ihr geheime Amtsdokumente zuspielte. Damit habe die geschasste Präsidentin die Demokratie ernsthaft geschädigt und gegen die Verfassung verstoßen, befanden die Richter.

Park dagegen will in ihrem Verhalten kein Unrecht erkennen. Ihre Verteidiger versuchten, das Verfahren zu sabotieren oder in die Länge zu ziehen. Sie selber hatte versprochen, mit dem Parlament und den Ermittlern zu kooperieren. Doch dann ließ sie Unterlagen vernichten, sie verweigerte dem Sonderstaatsanwalt jegliches Gespräch, blieb den Verhandlungen des Gerichts fern und wehrte sich gegen eine Hausdurchsuchung in ihrem Amtssitz.

So hat Park demonstriert, dass sie sich noch immer über den Gesetzen wähnt. Das sei eine zusätzliche Verletzung der Verfassung und ein Missbrauch des Wählervertrauens, urteilten die Richter. Bis vor wenigen Tagen hätte Park die Gelegenheit gehabt, sich mit einem Rücktritt halbwegs in Würde aus der Affäre zu ziehen. Stattdessen vertraute sie auf den Filz. Schließlich führte Samsung einst eine schwarze Kasse zur Richterbestechung.

Südkorea hat mit Parks Rauswurf bewiesen, dass sein Rechtsstaat funktioniert. Seine Presse, die den Skandal ans Licht zerrte, bewährte sich ebenfalls. Damit beginnt für das Land plötzlich eine neue Epoche, auf die es allerdings ungenügend vorbereitet ist.

© SZ vom 11.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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