Südafrikas künftiger Präsident:Der schwarze Messias

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Millionen Südafrikaner wollen raus aus ihrem Elend. Für sie ist der künftige Präsident Jacob Zuma der ersehnte Erlöser. Doch wie groß ist die Chance, dass er die große Wende herbeizaubern wird?

Arne Perras

Manche Länder sind wie die ganze Welt. Sie faszinieren, weil sie so viele Völker und Kulturen in sich vereinen. Und sie schockieren, weil dort die größten Gegensätze aufeinanderprallen. So ungerecht wirkt die Welt manchmal in diesen Staaten, dass man glauben könnte, das Gebot der Menschenwürde stamme aus einer fernen Galaxie. Arm und Reich reiben sich aneinander, sodass Funken fliegen. Die Furcht vor größerem Unheil ist stets präsent, vor unregierbarem Chaos, das eines Tages diese Welten überfallen und in den Abgrund reißen könnte.

Millionen Südafrikaner wollen raus aus ihrem Elend. Für sie ist der künftige Präsident Jacob Zuma der ersehnte Erlöser. Doch kann er die Erwartungen erfüllen? (Foto: Foto: afp)

Brasilien ist so ein Land. Oder Südafrika, das jetzt einen neuen, heftig umstrittenen Präsidenten bekommt. Beide Staaten sind große Regionalmächte. Sollten sie einmal die innere Balance verlieren, dann wird dies auch den Weltfrieden erschüttern. Der neue Mann in Pretoria geht also nicht nur die Afrikaner, sondern alle etwas an.

Die Menschen am Kap haben ein neues Parlament gewählt, die frühere Befreiungsbewegung ANC hat wieder triumphiert. Wie in Brasilien hat das Volk mitzureden, wenn es um die Zukunft geht. Die Südafrikaner leben, wenn auch noch nicht lange, in einer Demokratie.

Held der Armen

Aber wie viel soziale Gerechtigkeit hat ihnen dieses Recht der Wahl gebracht? Und wie groß ist die Chance, dass der neue Held der Armen, Jacob Zuma, die große Wende herbeizaubern wird? Millionen Arbeitslose erwarten genau das von ihrem neuen starken Mann, den das Parlament jetzt zum Präsidenten wählen wird.

Das Ende der Apartheid brachte die Freiheit, aber jetzt wollen die Massen endlich heraus aus dem Elend, das sie noch immer niederdrückt. Für manche ist Zuma ein schwarzer Messias, der ersehnte Erlöser.

Denn die ärmsten Südafrikaner hausen in Wellblechschachteln, sie stehen barfuß in der Kloake, sie kämpfen jeden Tag um ein paar Cent, um ihre Familien durchzufüttern. Von ihren Elendsvierteln blicken sie hinüber auf die Villen der Reichen, mit ihren Swimmingpools und Hausangestellten, mit polierten Limousinen in der Garage und Alarmanlagen auf dem Dach.

Markt statt Marx

Die Kluft zwischen den Welten wächst. Der Afrikanische Nationalkongress ANC, der Südafrika einst vom Joch der Apartheid befreite und das Land seit 15 Jahren regiert, hat seit dem Triumph Nelson Mandelas viel versprochen: Wohnungen und Schulen, Straßen und Kliniken - und vor allem Jobs. Wenn man genauer hinsieht, hat er manchen guten Plan sogar eingelöst. Fast drei Millionen Häuser hat die Regierung seit 1994 gebaut, um die Not zu lindern. Aber dennoch greift die Armut weiter um sich wie ein rasendes Feuer. Wenn es an einer Ecke unter Kontrolle zu sein scheint, lodert es woanders wieder auf.

Die Wirtschaft ist unter Präsident Thabo Mbeki jahrelang gewachsen, aber dennoch gab es zu wenig neue Arbeitsplätze. Das ist das Kernproblem. Und jetzt, da die globale Krise auch am Kap zuschlägt, wird sich die Lage verschärfen: Zehntausende Jobs sind schon vernichtet, und es dürfte noch schlimmer kommen.

Wirtschaftsexperten hatten schon in all den fetten Jahren keine schlüssige Antwort auf das Wuchern der Armut gefunden. Lange setzten die Entwicklungsökonomen auf den angeblich heilsamen "Trickle-Down-Effect". Solange die Volkswirtschaften nur wuchsen, so lautete das Credo, werde der Wohlstand schon irgendwann "durchtröpfeln" auf die unteren Schichten. Doch das Einzige, was weiterhin in die Häuser der Armen Südafrikas schwappte, war das stinkende Abwasser nach jedem großen Regenguss.

Was also kann Zuma tun? Er kann zum Beispiel über den Ozean blicken und sich das Werk des Luiz Inácio Lula da Silva ansehen, der Brasilien seit 2003 regiert. Auch er wurde einst als Volkstribun gefeiert, weil er versprach, den Hunger zu besiegen. Lula hat seine ehrgeizigen Ziele nicht erreicht, aber ein paar Fortschritte gibt es schon: Immerhin ist es ihm gelungen, dass Millionen Brasilianer den Sprung in den Mittelstand geschafft haben. Staatliche Hilfen lindern die ärgste Not und geben jungen Leuten eine Chance, sich zu bilden. Ansonsten hat er seine alten sozialistischen Parolen weitgehend ignoriert. Der Markt ist ihm wichtiger als Marx. Das sichert Wachstum und Investitionen. Aber die große Wende ist auch dem Volkshelden Lula nicht gelungen, der Graben zwischen Arm und Reich scheint unüberbrückbar zu sein.

Geerbter Schlendrian

Die Ungerechtigkeiten schüren Spannungen, in Brasilien wie in Südafrika. Es ist ein explosives Gemisch - "unsere Zeitbombe", wie Zuma sagt. Daraus könnte sich die größte Gefahr in den Schwellenländern entwickeln. Der in Bremen lehrende Soziologe Gunnar Heinsohn warnt vor dem zerstörerischen Potential, das die Gruppe "junger zorniger Männer" in Gesellschaften entwickeln kann, wenn sie keine Perspektive bekommt. Auch Südafrika läuft Gefahr, in den Sog dieses Zorns zu geraten. Das weiß keiner besser als Jacob Zuma, der sein Ohr an den Graswurzeln hat.

Mit einer Zweidrittelmehrheit im Parlament kann der ANC Verfassungsänderungen durchpeitschen. Aber im Kampf gegen die Armut würde Zuma ein brachialer Umbau des Staates nichts nützen. Südafrika hat eine hervorragende Verfassung, und jeder Präsident tut gut daran, sie zu schützen.

Zuma muss andere Wege gehen: Er sollte alles daran setzen, den wachsenden Frust in der Jugend zu mindern, und das geht nur mit besseren Bildungsangeboten und mit einem kreativen Unternehmertum, das Arbeitsplätze für junge Leute schafft. In der Krise muss er die größte Not mit Beschäftigungsprogrammen lindern, gerade auf dem Land.

Ansonsten werden immer mehr Leute in die Elendsviertel der Metropolen ziehen. Das Gewalt- und Protestpotential in diesen Zonen ist ohnehin schon schwer zu beherrschen. Das war im vergangenen Jahr zu sehen, als ein wütender Mob Ausländer jagte, und der Staat völlig ohnmächtig erschien.

Er hat die Chance, die Welt zu überraschen

Zuma, der jetzt triumphiert, ist ein umstrittener Mann. Er steht im Verdacht, korrupt zu sein, und er hat es geschafft, sich trotz belastender Indizien seinen Richtern zu entziehen. Jetzt hat er als Präsident zumindest die Chance, die ganze Welt zu überraschen: Zum Beispiel damit, dass er hart gegen Korruption und die Unfähigkeit des Staatsapparats vorgeht, dass er aufräumt mit der Misswirtschaft, die so viel Geld verbrennt und den Frust der Leute schürt.

Wenn Zuma seine Chance nützt, kann er ein besserer Präsident werden als Mbeki. Denn der hat mit seiner Kälte und Arroganz viel Vertrauen verspielt. Mbeki ließ viel Schlendrian im Staat zu. Dieses Erbe muss Zuma schnellstens abtragen. Die sozialen Sprengsätze wird auch er nicht rasch entschärfen können. Die Lage der Weltwirtschaft macht das unmöglich. Aber vielleicht kann Zuma, wenn er weise regiert, wenigstens den Zorn im Zaum halten. Die Menschen müssten spüren, dass es da einen Staat mit einem Präsidenten gibt, der sie nicht alleine lässt. Auch wenn er keine Wunder vollbringen kann. Wenn Zuma das gelingt, ist er zwar noch lange kein Messias. Aber immerhin ein passabler Präsident.

© SZ vom 25.04.2009/dmo - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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