Grünen-Chef Cem Özdemir hat die Gegner des Bahnprojekts Stuttgart 21 aufgerufen, den Ausgang der Volksabstimmung zu respektieren. "Man muss das Ergebnis des Volksentscheids jetzt akzeptieren, Stuttgart 21 wird gebaut", sagte Özdemir der Passauer Neuen Presse. "Aber allen Enttäuschten kann ich versichern: Es wird 'Stuttgart 21 Plus'" werden." Schließlich sei ein Ergebnis der Schlichtung gewesen, dass das Projekt weiterentwickelt werde.
Am Montag hatte bereits Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) angekündigt, den Widerstand gegen das Bahnprojekt nach der klaren Niederlage der Gegner aufzugeben. Trotzdem schwelt der Konflikt zwischen Grünen und der Bahn über mögliche Mehrkosten weiter. Strittig ist, wer zahlt, wenn der Kostendeckel von 4,5 Milliarden Euro gesprengt wird. Die Bahn sieht das Land auch in diesem Fall in der Pflicht.
Grün-Rot im Südwesten will als Konsequenz aus dem Referendum Volksabstimmungen vereinfachen. Özdemir bezeichnete es als Erfolg, dass nun Großprojekte nicht mehr in Form von Basta-Politik über die Köpfe der Bürger hinweg geplant werden könnten. Strikte Stuttgart-21-Gegner wie die Parkschützer rief er dazu auf, sich einzubringen und das Projekt kritisch zu begleiten: "Da gibt es noch viel zu tun."
Die Projektgegner wollen an diesem Sonntag im Stuttgarter Rathaus ihr weiteres Vorgehen beraten. Sie hatten am Montagabend bei einer neuerlichen Demonstration vor dem Stuttgarter Kopfbahnhof deutlich gemacht, dass sie sich von ihrer klaren Niederlage bei der Volksabstimmung nicht entmutigen lassen wollen. Die Polizei sprach von 2000, die Veranstalter von 3500 Teilnehmern.
Der Unions-Wirtschaftsexperte Joachim Pfeiffer schließt nicht aus, dass sich der Bund an etwaigen Mehrkosten für das Milliardenprojekt Stuttgart 21 beteiligen wird. "Sollte die Obergrenze von 4,5 Milliarden Euro überschritten werden, müssen die Vertragspartner parallel oder im Anschluss neue Gespräche über die Verteilung der Kosten aufnehmen", sagte der CDU-Politiker Handelsblatt Online. Pfeiffer kritisierte Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne), der erklärt hatte, mit 4,5 Milliarden Euro sei das Ende der Fahnenstange erreicht. Weder Bund, Stadt noch Region wollten ihren Anteil aufstocken. Pfeiffer sagte dazu: "Ich erwarte jetzt, dass auch der grüne Teil der Landesregierung das zentrale Infrastruktur- und Jahrhundertprojekt S21 nicht erneut mit Taschenspielertricks über den Kostenrahmen torpediert."
Ein kleiner Trost in der kniffligen Situation dürfte für den Landesvater eine Ehrung gewesen sein: Am Montagabend wurde er in Berlin als "Politiker des Jahres" ausgezeichnet. Der Grünen-Politiker pflege einen neuen Politikstil der Offenheit und der Beteiligung, erklärte der Helios Media Verlag zur Begründung. Im Konflikt um das Bahnprojekt Stuttgart 21 handle Kretschmann trotz des aufgeheizten Klimas mit Bedacht und beweise einen ausgeprägten Sinn für Fairness, hieß es weiter. Die Fachzeitschrift Politik & Kommunikation vergibt den Politik-Award seit 2003 jährlich für Leistungen der politischen Kommunikation.