Sturmopfer:Untergang der Ärmsten

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Der Zyklon und die Überschwemmungen im Südosten Afrikas sind Naturkatastrophen. Sie zeigen aber auch, dass diejenigen, die am wenigsten zum globalen Klimawandel beitragen, nun am stärksten die Folgen zu spüren bekommen.

Von Anna Reuß

Wo einmal Häuser standen, sind nur noch Betongerippe übrig. Schutt und Wellblechdächer liegen unentwirrbar verkeilt dort, wo noch vor ein paar Tagen Gassen und Straßen waren. Nur einige Palmen konnten der Naturgewalt standhalten. Der Zyklon Idai hat die Hafenstadt Beira in Mosambik in der Nacht zum Freitag bereits in Trümmer gelegt. Bilder, von Drohnen aufgenommen, offenbaren das schockierende Ausmaß der Zerstörungen. Bislang vermögen nur die Aufnahmen aus der Luft zu zeigen, was der tropische Wirbelsturm angerichtet hat. Sie scheinen Präsident Filipe Nyusi recht zu geben, der mit 1000 Toten allein in Mosambik rechnet. Im Radio schilderte er, was er vom Hubschrauber aus gesehen hat: Leichen, die im Wasser trieben, Dörfer, die von den Fluten einfach weggespült wurden. Am Mittwoch rief die Regierung eine dreitägige Staatstrauer aus.

Idai brachte Südostafrika die schlimmsten Überschwemmungen der letzten 20 Jahre. Fernsehsender veranschaulichen das Elend der Menschen, eine Frau mit einem kleinen Kind auf ihrem Rücken ist zu sehen, die kniehoch im dreckigen Wasser steht und nach Habseligkeiten sucht. Hinter ihr hängen bunte Tücher zum Trocknen auf einer Leine - ein fast absurdes Bild, sind doch schon wieder starke Regenfälle angekündigt. Eine andere Frau berichtet, wie sie nachts plötzlich wach wurde, als der Sturm das Dach ihres Hauses wegriss. "Wir schrien um Hilfe, aber niemand kam." Ein Mann sagte dem Sender BBC, dass er beobachten musste, wie herumfliegende Metallteile Menschen enthaupteten. "Niemand hilft uns hier, wir haben kein Zuhause."

Die Hilfsorganisationen stehen vor einer immensen Herausforderung. Noch immer sind die überfluteten Gebiete kaum zu erreichen. Die Menschen verloren nicht nur ihren Besitz und ihr Zuhause, viele harren noch immer auf Dächern oder Bäumen aus, wohin sie sich vor den Fluten gerettet hatten - ohne Essen, ohne sauberes Wasser. Besonders schlimm hat der Sturm wohl die Region um die Stadt Chimanimani getroffen. Die Einwohner waren zwischenzeitlich von der Außenwelt abgeschnitten, viele flohen in das angrenzende Gebirge. Die reißenden braunen Flüsse, die weit über die Ufer getreten waren, machen es Rettungskräften auch Tage nach dem der Zyklon fast unmöglich, die Menschen in Not zu erreichen.

In Simbabwe, wo der Tropensturm am Sonntag wütete, begann unterdessen die Bergung der Leichen. Medienberichten zufolge sollen inzwischen bis zu 350 Tote bestätigt sein. Präsident Emmerson Mnangagwa rief in den betroffenen Gebieten den Katastrophenzustand aus. Den UN zufolge wird die humanitäre Situation in dem Land seit Jahren schlechter. Unregelmäßige Regenfälle, bedingt durch den Klimawandel, verursachten Preissteigerungen; Grundnahrungsmittel sind knapp. Eine Wirtschaftskrise verschärft die Lage.

Auch im angrenzenden Malawi wurden Anfang der Woche mehr als 50 Tote bestätigt. Etwa hunderttausend Menschen sind obdachlos geworden. Malawi ist eines der ärmsten Länder der Welt und stark abhängig von Landwirtschaft. Bleibt der Regen aus oder kommt er in solchen Mengen wie jetzt, dann haben Dürre oder Überschwemmungen einen dramatischen Einfluss. Bereits im vergangenen Jahr verzeichneten die Bauern laut UN enorme Ernteausfälle.

In Mosambik wurde die ohnehin desolate Infrastruktur durch den Zyklon Idai mancherorts vollends zerstört, so brach etwa in der Stadt Beira das Stromnetz zusammen. Der Flughafen war zeitweise geschlossen, was das Eintreffen von Hilfskräften verzögerte. Vertreter des Roten Kreuzes konnten nach eigenen Angaben erst am Montag dort landen.

Mosambik ist aufgrund seiner langen Küste von fast 2500 Kilometern enormen Risiken ausgesetzt. Zwei von drei Menschen wohnen in tief liegenden Küstengebieten. Extreme Wetterlagen bringen sie in Lebensgefahr. Gleichzeitig ist das Abwassersystem in einigen Städten unzureichend, was, in Kombination mit starkem Regen, oft zu Überschwemmungen führt. In jüngster Vergangenheit erlebte das Land eine Reihe von Wetterextremen, wie etwa eine lange Dürreperiode, ausgelöst durch das El-Niño-Phänomen.

„Wir schrien um Hilfe, aber niemand kam“: Überschwemmte Gebiete bei Beira an der Küste Mosambiks. (Foto: UN WFP/AFP)

Die Region im Südosten Afrikas ist in vielerlei Hinsicht ein geradezu vergessener Winkel der Weltgeschichte. Vor allem aus Mosambik und Malawi berichten westliche Medien meist nur dann, wenn eine Präsidentschaftswahl ansteht oder ein korrupter Staatsapparat von sich reden macht. Wenn die Region jedoch, wie jetzt, von Naturkatastrophen heimgesucht wird, dann wird vor allem deutlich, dass diejenigen, die am wenigsten zum globalen Klimawandel beitragen, nun am stärksten dessen Auswirkungen spüren. Nicht zuletzt weil ihnen die Ressourcen fehlen, um sich auf die Stürme und Fluten vorzubereiten oder den Wiederaufbau alleine zu stemmen. Ein britischer Greenpeace-Aktivist sagte der Zeitung The Guardian, der durchschnittliche CO₂-Ausstoß eines Menschen in Mosambik, Malawi oder Simbabwe mache nur einen winzigen Bruchteil von dem eines Europäers oder eines Amerikaners aus.

Als im Jahr 2000 der Zyklon Eline auf die südostafrikanische Küste traf, kamen mehrere Hundert Menschen ums Leben, 650 000 verloren ihr Zuhause. Stürme in den Jahren 2007 und 2015 waren zwar weniger verheerend, verdeutlichten aber, wie schlecht die Staaten aufgrund unzureichender Krisenprävention nach wie vor auf Extremwetter vorbereitet sind.

Schätzungen gehen davon aus, dass mindestens zwei Millionen Menschen in drei Ländern von den Auswirkungen des Zyklons Idai betroffen sind. Regierungsvertreter sprechen von einem Wettlauf mit der Zeit. Nicht genug, dass die Sturmfluten bereits weite Gebiete verwüstet haben. In Teilen Mosambiks ist die Bevölkerung nun aufgerufen, ihre Wohngebiete zu verlassen, weil die Flüsse weiter über die Ufer zu treten drohen, wenn Wasser aus Stauseen abgelassen wird, um Dammbrüche zu verhindern.

Hilfsorganisationen und Regierungsvertreter fürchten, dass noch Schlimmeres ansteht. "Es gibt große Gebiete, wo Menschen Schwierigkeiten haben, sauberes Wasser zu finden", sagt Gert Verdonck, der Notfallkoordinator bei Ärzte ohne Grenzen in Beira. Und völlig ungeklärt sei die Frage, wie man all die kranken Menschen behandeln soll. Denn viele Krankenhäuser sind schlicht zerstört, vom Sturm weggerissen, vom Wasser fortgespült.

© SZ vom 21.03.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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