Streumunition:Ächtung rückt näher

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Streumunition gilt als besonders heimtückisch - weil sie oft nicht explodiert und noch nach Jahren gefährlich ist. Im Kampf gegen die unberechenbaren Waffen gibt es jetzt erste Erfolge.

Paul-Anton Krüger

Granaten, Raketen, Bomben - es gibt kaum etwas in den Arsenalen des Militärs, dem Gert zu Wickede noch nicht zu Leibe gerückt ist. Davon zeugt das kleine Museum, das der Geschäftsführer der Spreewerk GmbH mit seinen Mitarbeitern auf dem Firmengelände im brandenburgischen Lübben eingerichtet hat. "Wir entsorgen alles, was durchs Werkstor passt", sagt der 58-Jährige und deutet auf eine olivgrün lackierte Stahlkugel von bald einem Meter Durchmesser: "430 Kilo Sprengstoff" - eine Seemine. "Aber Streumunition", setzt er hinzu "ist schon ekliges Zeug."

Tödliche Gefahr: Einsatz von Streubomben weltweit (Foto: Grafik: SZ)

Der Maschinenbau-Ingenieur jongliert eine Metallkugel, ein wenig größer als ein Golfball. 91 davon stecken in einem Artilleriegeschoss, einst Standard-Munition der Nato. Nachdem die Granate abgefeuert ist und sich in die Kugeln zerlegt, klappt ein Federmechanismus kleine schwarze Metallflügel aus. Die sollen bewirken, dass die Kugeln richtig herum aufprallen. "Dann springen sie einen, anderthalb Meter wieder hoch" sagt zu Wickede. 20 Gramm hochexplosiver Sprengstoff verwandeln die vorfragmentierte Metallkugel in tödliche Splitter.

Kinder bedroht

Mehr als 100 Staaten haben sich Ende Mai darauf geeinigt, Streumunition zu ächten; für Deutschland wird Außenminister Frank-Walter Steinmeier an diesem Mittwoch die Verbots-Konvention im Rathaus zu Oslo unterzeichnen. Menschenrechtler brandmarken die Waffen als besonders heimtückisch, weil sie keinen Unterschied machen zwischen Zivilisten und militärischen Zielen, Flugzeugrümpfe ebenso durchsieben wie Menschen. Und weil viele der Sprengkörper nicht explodieren, die über dem Einsatzgebiet verstreut werden. Die Blindgänger töten auch noch Jahre nach einem Krieg. Besonders Kinder sind in Gefahr.

Etwa ein Fünftel der Munition, die derzeit in Lübben entsorgt wird, gehört zur künftig verbotenen Kategorie, darunter auch Bestände der Bundeswehr. Abgeschirmt von 60 Zentimetern Stahlbeton entfernt ein Mitarbeiter mit einer ferngesteuerten Drehbank die Deckel von Minen. Wie der Höhe nach halbierte Kaffeedosen sehen sie aus, wenn die kleinen Fallschirme abgeschnitten sind. Sie stammen aus der Mehrzweckwaffe 1, einem Munitionsbehälter für die Tornado-Jagdbomber der Luftwaffe. Ein Schwarz-Weiß-Monitor zeigt, wie schließlich die Deckel abfallen. "Die Maschinen sind alle selber entwickelt", erklärt zu Wickede, "Munition ist ja nicht dafür gebaut worden, auf diese Weise vernichtet zu werden." Übrig bleiben grau-weißer Sprengstoff, den ein Schwesterbetrieb zur Stromerzeugung verheizt, ein Stahlmantel, der an einen Schrotthändler geht, und die Deckel. Die wandern in einen Spezialofen, um sie von brisanten Resten zu befreien. Dumpfe Schläge grollen über das kiefernbestandene Gelände. Die Zünder gehen in den Flammen hoch.

Dass ihnen die Arbeit ausgeht, müssen die etwa 100 Spreewerker wohl nicht befürchten. Denn in Berlin fordern Union und SPD von der Bundesregierung, die deutschen Bestände binnen vier Jahren zu vernichten; das Abkommen ließe doppelt so viel Zeit. Durch Umschichtungen im Haushalt werde die Koalition 50 bis 60 Millionen Euro bereitstellen, erläutert der SPD-Abgeordnete Andreas Weigel, der den Antrag zusammen mit seinem CSU-Kollegen Karl Theodor zu Guttenberg formuliert hat. Zudem solle die Regierung die USA auffordern, ihre Bestände aus Deutschland abzuziehen und darauf dringen, dass Bündnispartner bei gemeinsamen Militäroperationen auf Streubomben verzichten. Deutschland, so der Wunsch der Parlamentarier, soll Vorbild sein und jene Staaten unter Druck setzen, die sich dem Verbot verweigern.

Dazu zählen die USA ebenso wie China, Israel, Indien, Pakistan und Russland. Zusammen besitzen sie 90 Prozent aller Streubomben. Als Beleg für die einsetzende Stigmatisierung der Waffen zitieren Menschenrechtler, aber auch die Berliner Stiftung Wissenschaft und Politik, dass Russland und Georgien sich im Krieg im August bezichtigten, Streubomben verwendet zu haben, obwohl beide Parteien die Konvention von Oslo nicht mittragen. Verhindert hat das den Einsatz freilich nicht.

Dennoch hoffen die Verfechter des Verbots auf den gleichen Effekt wie beim Bann gegen Landminen. Auch hier sind die Hauptbesitzer nicht beigetreten, haben aber darauf verzichtet, die Waffen wieder einzusetzen. Die USA beharren darauf, Streumunition sei militärisch notwendig. Dennoch haben sie bereits alte Bestände vernichten lassen, auch in Lübben. Die Warnschilder in der ehemaligen DDR-Munitionsfabrik hat Gert zu Wickede schon vor langem zweisprachig beschriften lassen - sie warnen auch in Englisch. An ihm wird es nicht scheitern, dass Deutschland auch international Vorreiter ist, wenn es darum geht, Streumunition zu vernichten.

© SZ vom 03.12.2008/che - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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