Die Deutsche Bahn wird die Kosten für Stuttgart 21 einem Medienbericht zufolge neu berechnen. Dafür seien "umfangreiche Vorbereitungsarbeiten notwendig", zitiert die Financial Times Deutschland aus einem Brief des Bahn-Vorstandsvorsitzenden Rüdiger Grube an Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne). Dabei gehe es nicht um eine reine Routinearbeit, vielmehr analysiere der Konzern nach Informationen des Blatts grundlegend die "Kosten- und Risikosituation".
Stellt die Bahn damit das Projekt in Frage? Die Bahn schweigt sich aus. Ein Regierungssprecher bestätigte aber auf Anfrage der Nachrichtenagentur dapd den Inhalt des Schreibens, das Grube Ende Juli an Kretschmann schickte. Kretschmann hatte vor vier Wochen in einem Brief an Grube "dringenden Gesprächsbedarf" angemeldet. Grube verwies laut dem Zeitungsbericht auf ein Treffen des Lenkungskreises im September.
Die derzeitige Kostenprognose liegt bei 4,1 Milliarden Euro. Vor einem Monat hat die Kostenfrage schon einmal für Wirbel gesorgt: Vorwürfe wurden laut, wonach die Bahn jahrelang die Kosten geschönt haben soll. Darüber hinaus hätten sich nach einer Zusammenstellung von Kretschmann zusätzliche Posten von etwa 100 Millionen Euro ergeben. Hinzu kämen Nachbesserungen, die die Schweizer Gutachtenfirma SMA im Zuge des Stresstests angemahnt hat, berichtet die Financial Times Deutschland weiter.
Am Wochenende war bekannt geworden, dass Kretschmann den Kompromissvorschlag von Schlichter Heiner Geißler zur Lösung des Streits um das Bahnhofsprojekt prüfen lassen will. Der Grünen-Ministerpräsident will den unter- und oberirdischen Doppelbahnhof für Fern- und Regionalverkehr auf seine Tragfähigkeit abklopfen lassen. "Da der Vorschlag von Herrn Geißler und der SMA kommt, die ein hoch angesehenes Unternehmen in diesem Bereich ist, nehmen wir den Plan sehr ernst", sagte er der Welt am Sonntag.
Knappe Mehrheit für Stuttgart 21
Dabei sieht er sich durch eine repräsentative Umfrage der Freien Universität Berlin gestärkt. Danach sprachen sich 69 Prozent der rund 1000 Befragten Anfang August für ernsthafte Verhandlungen über den Vorschlag aus.
Der Forscher Peter Grottian, der für die Uni Berlin die Umfrage auswertete, sagte zur Zustimmung für den Geißler-Vorschlag: "Konfrontation, Erschöpfung und Friedenssehnsucht sind näher beieinander, als manche wahrhaben wollen. Alle wollen den Mühlstein Stuttgart 21 irgendwie mit Anstand vom Halse haben."
Die Umfrage ergab allerdings auch, dass sich nach wie vor eine knappe Mehrheit der Baden-Württemberger für Stuttgart 21 ausspricht: Etwa 50 Prozent der Befragten stehen hinter dem Projekt, 35 Prozent sind dagegen, 15 Prozent unentschieden. Im Großraum Stuttgart liegt die Zahl der Befürworter mit 58 Prozent sogar noch etwas höher.