Streit um Hartz IV:Täuschen und Tricksen

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Die Union vertuscht ihre Mitverantwortung, die SPD betreibt Schönfärberei.

Ulrich Schäfer

Die Union tut in diesen Tagen so, als sei die Arbeitsmarktreform Hartz IV ohne sie entstanden. Sie erweckt den Eindruck, als hätten der SPD-Wirtschaftsminister Wolfgang Clement und der CDU-Ministerpräsident Roland Koch nicht wochenlang über die "Mutter aller Reformen" verhandelt - und als säßen im Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat ausschließlich Mitglieder der SPD. Die Union verlangt lautstark eine "Generalrevision" von Hartz IV, doch diese Forderung geht einher mit einer stillschweigenden Geschichtsrevision.

Die Union tut sich damit keinen Gefallen. Sie fordert ja zu Recht, die größte Arbeitsmarktreform der bundesdeutschen Geschichte einer kritischen Nachbetrachtung und gegebenenfalls auch einer Nachbesserung zu unterziehen. Doch diese Forderung würde überzeugender klingen, wenn sich die Herren Stoiber, Koch, Wulff und Co. sowie die Kanzlerin und CDU-Chefin Angela Merkel auch an die eigene Brust klopfen würden. Vieles, was sich nun als Problem erweist, stand nicht in der Ursprungsfassung von Hartz IV, sondern beruht auf Kompromissen im Vermittlungsausschuss; und am Ende, als im Bundestag und Bundesrat abgestimmt wurde, haben auch die Unterhändler der Union ihre Hand zum Ja erhoben. Wer selber im Glashaus sitzt, sollte also nicht mit Steinen werfen.

Absonderliche Idee des Finanzministers

Andererseits ist es bedenklich, mit welcher Leichtigkeit die SPD versucht, das Problem Hartz IV kleinzureden. Erst tun die Genossen so, als gebe es in diesem Jahr kein neues Milliardenloch beim Arbeitslosengeld II; nun, da es sich nicht mehr kleinreden lässt, verweisen die Sozialdemokraten darauf, dass die Regierung ja an anderer Stelle unverhofft viel Geld übrig hat, beim Arbeitslosengeld I. Dies ist richtig, es hilft den öffentlichen Kassen, es ändert aber nichts an den Konstruktionsfehlern von Hartz IV.

Deswegen wehrt sich die Union nun auch gegen eine absonderliche Idee, die Peer Steinbrück und Franz Müntefering am Sonntag im Koalitionsausschuss vorgetragen haben, um kurzfristig die Löcher zu stopfen: Man könne ja die Strafsteuer erhöhen, die die Bundesagentur für Arbeit für jeden Arbeitslosen an den Bund überweisen muss, der aus dem Arbeitslosengeld I ins Arbeitslosengeld II rutscht. Auf diese Weise könnte Steinbrück ein paar Milliarden Euro aus der Arbeitslosenversicherung in seinen Bundeshaushalt umlenken.

Es wäre ein dreister Taschenspielertrick: Ein Haushalt würde auf Kosten eines anderen saniert. Solch eine Operation widerspräche zudem einem zentralen Anliegen, das Steinbrück und die SPD verfolgen: Der Finanzminister will die Sozialsysteme künftig stärker durch Steuern und weniger durch Beiträge finanzieren. Sein Sparvorschlag wäre das glatte Gegenteil: Beiträge aus der Sozialversicherung würden in den Haushalt umgelenkt und dort an die Stelle von Steuern treten. Es ist gut, dass die Union dabei nicht mitmachen will. Eine Reform von Hartz IV sieht anders aus.

© SZ vom 30.05.06 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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