Stoiber attackiert SPD-Familienpolitik:"Familienpolitik von der rechten in die linke Tasche"

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Die SPD will einen Rechtsanspruch auf Vollzeitbetreuung für Kinder von einem Jahr bis zur Einschulung schaffen. Weil der CSU-Chef die dafür nötige Umverteilung für unsozial hält, geht er auf die Barrikaden.

Thorsten Denkler, Berlin

Gleich fünf führende Sozialdemokraten wurden aufgeboten, um der versammelten Presse zu erklären, wie das neue Kinderbetreuungskonzept der SPD aussehen soll: Parteichef Kurt Beck, Finanzminister Peer Steinbrück, Fraktionschef Peter Struck, die Bonner Oberbürgermeisterin Bärbel Dieckmann und die Fraktionsvize Nicolette Kressl.

Klar war: Diese fünf sind die Getriebenen. Mit Familienministerin Ursula von der Leyen hat sich ausgerechnet eine CDU-Frau eine sozialdemokratische Kernkompetenz zu Eigen gemacht, die Familienpolitik. Von der Leyen will die Ganztagsbetreuung für Kinder unter drei Jahren massiv ausbauen.

Glück für die Sozialdemokraten: Die Familienministerin vergaß, eine Finanzierung mitzuliefern. Jetzt schlägt das Imperium zurück: Beck will bis zum Jahr 2010 einen Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung für alle Kinder von einem Jahr bis zum Schuleintritt. Das ist nicht nur drei Jahre früher, als von der Leyens Zielvorstellung. Es ist auch - soweit es den Bund betrifft - gegenfinanziert.

Kein Füllhorn, sondern Umschichtung

Wenn alles glatt läuft, wird der Rechtsanspruch im Jahr 2010 Kosten in Höhe von 6,36 Milliarden Euro verursachen. Darin enthalten: Knapp 750.000 neue Betreuungsplätze, um den Rechtsanspruch abzusichern, 765,5 Millionen Euro um die Ausbildung der Erzieherinnen zu verbessern und 1,37 Milliarden Euro, damit die Eltern für über dreijährige Kinder keinen Kindergartenbeitrag mehr bezahlen müssen.

Das Geld soll innerhalb der öffentlichen Familienförderung umgeschichtet werden. Vier Geldquellen haben die SPD-Vorderen identifiziert: Kindergeld, Ehegattensplitting, Betreuungsfreibeträge und die schlichte Tatsache, dass immer weniger Kinder geboren werden. Letzteres soll Einsparungen in Höhe von 630 Millionen Euro möglich machen. Wenn die zu erwartende nächste Kindergelderhöhung um zehn Euro ausgesetzt wird, bringt das weitere 1,88 Milliarden Euro.

280 Millionen Euro erhoffen sich die Sozialdemokraten davon, den Steuerfreibetrag für die Betreuungskosten von Kindern um 300 Euro abzusenken. Ein weiter dicker Batzen in Höhe von 1,9 Milliarden Euro soll aus der Umstellung des Ehegattensplittings kommen. Geplant ist, dass maximal 15.000 Euro jährlich vom besser verdienenden Ehepartner günstig versteuert werden dürfen.

Streit um Ehegattensplitting und Kindergeld Das alles macht zusammen 4,69 Milliarden Euro. Den Rest von knapp 1,7 Milliarden Euro müssen nach den Plänen der SPD die Länder aufbringen, um die Beitragsfreiheit für über dreijährige Kinder zu finanzieren.

Genau da liegt der Haken. Weder mit den Ländern noch mit dem Koalitionspartner ist das Finanzierungskonzept abgesprochen. Das soll erst im nächsten Koalitionsausschuss am 5. März nachgeholt werden.

Vielleicht waren die Unions-Granden deswegen so gereizt. Noch-CSU-Chef Edmund Stoiber jedenfalls hat die Finanzierungsvorschläge der SPD kurzerhand für "familienfeindlich und unsozial" erklärt. Es geht dabei vor allem um das Ehegattensplitting. Die SPD-Idee, hier zu kürzen, sei ein "schon seit langem geplanter Angriff" auf das Fundament der Ehe, stänkerte Stoiber.

Da zu kürzen, um das Geld dann in die Kinderbetreuung zu stecken, sei eine Familienpolitik von der "rechten in die linke Tasche". Die Familien müssten den Ausbau der Kinderbetrauung so gesehen selbst bezahlen. "So geht das mit Sicherheit nicht", sagte Stoiber. Es habe sich überdies "bis heute kaum vorstellen können", dass ausgerechnet die SPD sozial schwächeren Familien das Kindergeld kappen wolle. Er schob direkt hinterher, dass das mit der CSU nicht zu machen sei.

CDU bietet keine Finanzierungsalternative Mit der Schwesterpartei CDU offenbar auch nicht. Deren Generalsekretär Ronald Pofalla hält wie Stoiber nichts von einem Verzicht auf die nächste Kindergelderhöhung oder eine Veränderung des Ehegattensplittings. Beide vergaßen allerdings, bessere Vorschläge zu machen.

Das neue Ehegattensplitting träfe vor allem die sehr gut verdienenden Schichten. Finanzminister Steinbrück hat vorgerechnet: Wer bis 35.000 Euro im Jahr verdient, verliert maximal 30 Euro im Jahr. Mit 270 Euro weniger muss auskommen, wer über 45.000 Euro Jahreseinkommen verfügt. Richtig teuer wird es erst ab 100.000 Euro pro Jahr. Wer soviel und mehr verdient, würde nach dem SPD-Modell 3300 Euro im Jahr verlieren.

Familienminister von der Leyen lehnt die SPD-Vorschläge zwar nicht in Bausch und Bogen ab. Ans Kindergeld will sie aber auch nicht ran. Das "schafft neue Ungerechtigkeiten zwischen Familien mit unterschiedlichen Einkommen", sagte sie. Stattdessen müsse es eine "Kinderkomponente im Steuerrecht" geben. Wie die aussehen kann, sagte sie nicht. Von der Leyen will jetzt erst einmal eine Sonderkonferenz der Familien- und Jugendminister von Bund und Ländern einberufen. Das Treffen soll noch im März stattfinden.

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