Stimmengewichtung in der EU erneut debattiert:Kaczynski lässt nicht locker

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Polens Ministerpräsident Jaroslaw Kaczynski will über den mühsam ausgehandelten EU-Vertrag erneut verhandeln - Deutschland und Portugal weisen die Forderung zurück.

Alexander Hagelüken

Wenige Tage nach der mühseligen Einigung auf einen EU-Vertrag gibt es wieder Ärger. Polens Premier Jaroslaw Kaczynski fordert Nachbesserungen. Er will Mehrheitsbeschlüsse bis zu zwei Jahre lang blockieren können. Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso und die Bundesregierung lehnten dies einhellig ab.

Polens Ministerpräsident Jaroslaw Kaczynski (Foto: Foto: dpa)

Der Brüsseler Gipfel vor einer Woche war beinahe an der polnischen Forderung gescheitert, eine für das Land besonders günstige Stimmenverteilung bei europäischen Entscheidungen zehn Jahre länger anzuwenden. Der neue EU-Vertrag sieht dagegen vor, die Stimmen einzelner Staaten nach ihrer Bevölkerungsgröße zu gewichten.

Neue Stimmengewichtung ab 2014

Als Kompromiss erstritt Warschau schließlich, dass diese neue Stimmengewichtung erst im Jahr 2014 eingeführt wird und es bis 2017 Übergangsbestimmungen gibt.

Regierungschef Kaczynski verlangt nun weitere Zugeständnisse. Dabei geht es um Fälle, in denen Länder wie Polen bei Entscheidungen per Mehrheit unterliegen. Wenn Länder mehrere Regierungen für ihr Anliegen gewinnen, können sie gemäß der Ioannina-Klausel verlangen, dass sich alle Mitgliedsstaaten erneut mit der Streitfrage befassen.

Nach derzeitiger Praxis verzögern sich Entscheidungen dadurch um drei bis vier Monate. Kaczynski behauptet, man habe Polen auf dem Gipfel zugesichert, Entscheidungen um bis zu zwei Jahre blockieren zu können. "Wir haben uns mündlich geeinigt, dass die Frist bis zu zwei Jahre dauern könnte", sagte Kaczynski vor Journalisten in Warschau.

Diese Frage müsse nun in der Regierungskonferenz geregelt werden, in der der neue EU-Vertrag endgültig verabschiedet wird. Da die Konferenz der Regierungen nur einstimmig beschließen kann, hat Warschau eine Vetomöglichkeit.

Andere Regierungen wiesen Kaczynskis Darstellung zurück. In den Schlussfolgerungen des Gipfels finde sich keine Zusicherung. Mit der deutschen EU-Präsidentschaft, die die Verhandlungen führte, sei darüber zu keinem Zeitpunkt gesprochen worden, berichten Diplomaten.

Barroso: Keine Nachverhandlungen

Kommissionschef Barroso lehnte Nachverhandlungen ab. "Diese Frage ist beim Gipfel eindeutig entschieden worden", erklärte er. "Eine Einigung ist eine Einigung und für uns ist die Sache erledigt".

Auch Bundesaußenminister Frank- Walter Steinmeier stellte sich gegen Nachforderungen. "Grundlage für die Regierungskonferenz ist das Mandat, wie es auf dem Gipfel in Brüssel beschlossen wurde. Aus unserer Sicht sind darin alle Fragen hinreichend beantwortet", sagte ein Sprecher.

Der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Jürgen Rüttgers sagte nach einem Treffen mit Kaczynski, dieser habe von "Nachbesserungsbedarf" gesprochen. Rüttgers warnte daraufhin Kaczynski, dass "Polen sich mit einer neuerlichen Initiative in die europäische Isolation" begebe. Er vermute bei den europäischen Regierungen "keine große Bereitschaft", sich auf Änderungen einzulassen.

Juncker findet Polen selbstverliebt

Die Regierung in Warschau hatte bereits beim Gipfel durch schrille Töne, dauernde Vetodrohungen und chaotische Verhandlungsführung Missfallen erregt. Der luxemburgische Ministerpräsident Jean-Claude Juncker hatte die "Selbstverliebtheit" Polens kritisiert.

Grünen-Europapolitiker Daniel Cohn-Bendit sprach von der "Tyrannei einer Minderheit", womit er das Verhalten Polens und Großbritanniens meinte. Der ungarische Premier Ferenc Gyurcsany wies die polnische Forderung zurück, eine Kompensation für die Toten des Zweiten Weltkriegs zu erhalten.

© SZ vom 30.6.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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