Steuerschätzung:Mehr Steuereinnahmen als je zuvor

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Der Staat rechnet mit einem Plus von 54,1 Milliarden Euro in den nächsten fünf Jahren. Nun erwägt der Finanzminister, die Einkommensgrenzen anzuheben - weniger Bürger sollen den Spitzensatz zahlen.

Von Michael Bauchmüller und Cerstin Gammelin, Berlin

Bund, Länder und Gemeinden haben in den kommenden fünf Jahren 54,1 Milliarden Euro mehr zur Verfügung als bislang erwartet - und damit so viel wie noch nie. Das geht aus der jüngsten Steuerschätzung hervor, die am Donnerstag in Berlin vorgelegt wurde. Danach können sich vor allem die Länder und Kommunen auf Zuwächse einstellen. Dagegen steigen die Einnahmen des Bundes unter dem Strich nur leicht. Insgesamt belegten die Zahlen eine "kontinuierlich stabile wirtschaftliche Entwicklung", sagte Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU).

Dies schaffe Raum für eine Steuerreform nach der Wahl - etwa für eine Veränderung des Tarifs bei der Einkommensteuer. So setze der Spitzensteuersatz derzeit "viel zu früh an", beklagte Schäuble. Es sei "absurd", dass Alleinstehende derzeit bei etwas über 50 000 Euro in dem hohen Steuersatz landeten. Wer als Single mehr als 52 882 Euro oder als Ehepaar mehr als 105 674 Euro an Einkommen hat, zahlt für jeden Euro darüber 42 Prozent Einkommensteuer. "Wir sollten mit einer maßvollen Politik den Steuertarif strecken", so Schäuble, das nötige Geld sei nun da. Auch bei den Unternehmensteuern gebe es Handlungsbedarf. Dort wachse der Wettbewerb um Investitionen und Arbeitsplätze.

Die letzte große Steuerreform war von der rot-grünen Bundesregierung unter Kanzler Gerhard Schröder im Jahr 2000 beschlossen worden. Schröder senkte Eingangs- und Spitzensteuersatz in der Einkommensteuer, erhöhte den Grundfreibetrag und entlastete Unternehmen. Unter Bundeskanzlerin Angela Merkel änderte sich dagegen wenig am Steuertarif, während die Löhne weiter stiegen. Die Folge: Mittlerweile müssen mehr als sechs Prozent aller Steuerpflichtigen den Spitzensteuersatz von 42 Prozent zahlen.

Allerdings sind angesichts der Rekordeinnahmen die Begehrlichkeiten weit größer, auch in Schäubles eigener Partei. Der CSU-Politiker Hans Michelbach forderte eine "Steuersenkungsoffensive". Diese müsse mit einer Halbierung des Solidaritätszuschlags beginnen. CSU-Chef Horst Seehofer hatte zuvor "die größte Steuersenkung aller Zeiten" versprochen. Auch die Wirtschaft will an den Steuerrekorden beteiligt werden. "Wenn jetzt nicht der Zeitpunkt für Entlastungen da ist, wann dann?", sagte der Chef des Deutschen Industrie- und Handelskammertages, Eric Schweitzer. So gebe es "kein stichhaltiges Argument mehr dafür, den Soli weiter beizubehalten". Er belaste auch die kleinen und mittleren Unternehmen, die in dem Verband zusammengeschlossen sind. Dagegen forderte der Industrieverband BDI eine steuerliche Forschungsförderung. So könnten Steuergutschriften Unternehmen animieren, mehr in die Forschung zu investieren.

Schäuble selbst will über konkrete Entlastungen erst nach der Bundestagswahl im September reden. Mit den wachsenden Einnahmen gebe es nun aber für die "künftige Mehrheit" zumindest den nötigen Spielraum. An seiner Obergrenze hält er jedoch fest: Mehr als 15 Milliarden Euro sei an Entlastung nicht drin. Der Wirtschaftsflügel der Union verlangt 20 Milliarden Euro und mehr.

© SZ vom 12.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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