Steuern und Auto:Schafft die Pendlerpauschale endlich ab!

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Gegner der Pendlerpauschale haben es in diesen Wochen nicht leicht. Jeder will mehr Geld und nimmt es, wo er es kriegen kann. Bessere Argumente aber haben jene, die die Pauschale abschaffen wollen. Auch wenn das verfassungsrechtlich schwierig ist.

Thorsten Denkler, Berlin

Sechs Uhr morgens, irgendwo in Deutschland. Ein Familienvater macht sich auf den Weg zur Arbeit. 28 Kilometer, jeden Tag. Raus aus der Einfahrt des schmucken Einfamilienhauses. Dann auf die Landstraße, ein Stück Autobahn, hinein in den Stadtverkehr und parken auf dem Firmengelände. Alltag in Deutschland.

Milliardeninvestition in Staus: die Pendlerpauschale. (Foto: Foto: ap)

Von Kilometer 21 an zahlt der Staat einen Teil der Fahrtkosten. 30 Cent je Kilometer dürfen dann von der Steuer abgesetzt werden. Seit 2007 gilt diese Regel. Vorher waren die Fahrtkosten vom ersten Kilometer an absetzbar.

Gegen die neuen Regeln hat ein Bäckermeister geklagt. Der Fall wird im Herbst vor dem Bundesverfassungsgericht verhandelt, Ausgang offen. Wenn es schlecht läuft, bekommt der Mann recht. Wenn es mittelmäßig läuft, bleibt alles wie es ist. Wenn es gut läuft, wird die Pauschale komplett abgeschafft.

Es sind nur wenige Gründe, die für die Pendlerpauschale sprechen, aber erheblich dagegen. Auf der Pro-Seite lässt sich im Grunde nur verbuchen, dass die Menschen die Kosten für den Weg zur Arbeit nicht auch noch vom bereits versteuerten Einkommen bezahlen sollen. Vor allem die steigenden Kraftstoff- und Energiekosten bringen Gewerkschafter, Linke und die CSU in einer seltenen Koalition zusammen: zurück zur alten Pendlerpauschale für alle Kilometer. Das soll den Menschen etwas Entlastung bringen.

Wenn stimmt, was Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) vorrechnet, dann darf man das mit dem "etwas Entlastung" durchaus wörtlich nehme. Im Schnitt geht es um zwölf Euro monatlich. Wobei vor allem diejenigen profitieren, die über mittlere bis hohe Einkommen verfügen.

Geringverdiener hingegen haben von der Pauschale meist wenig bis gar nichts. Drei Beispiele.

Fall 1: Einkommen unterhalb der Steuerpflicht: Da ist die Pauschale wertlos. Wer keine Steuern zahlt, kann auch nichts absetzen.

Fall 2: Geringverdiener mit einer Steuerlast von zehn Prozent: Ihnen werden über die Pendlerpauschale gerade mal drei Cent pro Kilometer real zurückerstattet.

Fall 3: Besserverdiener, die mit 42 Prozent besteuert werden: Sie können gegenüber dem Geringverdiener über 400 Prozent mehr aus der Pauschale herausholen, nämlich 13 Cent.

Besserverdienende haben am also Ende mehr von der Pauschale als Geringverdiener, selbst wenn beide die gleichen Kosten für den Weg zur Arbeit nachweisen können. Daran würde im Prinzip auch die Wiedereinführung der alten Pauschale nichts ändern. Zumal Geringverdiener erst die Werbekostenpauschale ausschöpfen müssten, bevor ihre Fahrten zum Arbeitsplatz steuerwirksam werden. Ein echte soziale Wohltat, wie sie kurz vor der Landtagswahl in Bayern die CSU verspricht, sieht anders aus.

Dem geringen Effekt für diejenigen, die das Geld brauchen könnten, stehen erhebliche Kosten für den Staat gegenüber. Schon jetzt lässt der sich das fröhliche Gekurve zum Arbeitsplatz jährlich sechs Milliarden Euro kosten. Die alte Regelung würde weitere 2,4 Milliarden Euro beanspruchen. Geld, das Minister Steinbrück zurecht lieber in Bildung und Forschung investiert sähe als in den morgendlichen Berufsverkehr, der oft genug zum Früh-Stau wird. Er nennt den Versuch, mit der Pendlerpauschale die steigenden Spritpreise abzufedern, schlicht "Volksverdummung".

Ein weiteres Argument gegen die Pendlerpauschale ist der Umweltschutz. Pro Sekunde werden in Deutschland 13 Quadratmeter Fläche zubetoniert und asphaltiert. Würden alle versiegelten Flächen in Deutschland aneinandergelegt, ergäbe das eine Betonwüste, in der die Länder Thüringen, Schleswig-Holstein, Saarland, Berlin, Hamburg und Bremen bequem Platz hätten.

Von den 13 Quadratmetern, die jede Sekunde dazukommen, sind zehn Quadratmeter sogenannte Siedlungsflächen. Dort bauen die Menschen ihre Häuschen im Grünen. Unter Umweltexperten ist die Pendlerpauschale deshalb seit Jahren als Zersiedlungsprämie verschrieen. Mit ihr werden lange Wege zur Arbeit günstiger. Ein Grund mehr, aus der Stadt raus und aufs Land zu ziehen.

Andreas Troge, Chef des Umweltbundesamtes, hält noch aus einem anderen Grund die Wiedereinführung der Pauschale ab dem ersten Euro für einen Fehler. Es sei falsch, "den Energieverbrauch direkt durch Steuerkürzung oder Pendlerbonus zu subventionieren", sagt er. Das fatale Signal wäre dann: Ein hoher Energieverbrauch geht in Ordnung. Wer Geringverdiener entlasten wolle, der könne auch das Wohngeld aufstocken.

Ähnlich sieht das der Umweltverband BUND. Geringverdienern solle besser "analog dem Wohngeld auf Antrag einen Pendlerzuschlag für jeweils ein Jahr gewährt werden", sagte BUND-Verkehrsexperte Richard Mergner.

Finanzwissenschaftler bringen noch ein drittes Argument vor: Wer ein einfaches und gerechtes Steuersystem wolle, der müsse Ausnahmen und Subventionen weitestgehend abschaffen. Und dazu gehöre eben auch die Pendlerpauschale.

Wenn im Herbst das Bundesverfassungsgericht über die geltende Pendlerpauschale entscheidet, könnte das etwas Bewegung in die Sache bringen. In Karlsruhe wird vor allem die Einschränkung thematisiert werden, die Pauschale erst vom 21. Kilometer an einsetzen zu lassen. Das könnte gegen das Gleichheitsgebot des Grundgesetzes verstoßen und dem besonderen Schutz von Ehe und Familie wiederspricht - so sieht es zumindest das Bundesfinanzgericht, das mit dieser Begründung Karlsruhe um höchstrichterliche Entscheidung gebeten hat.

Folgt das Bundesverfassungsgericht den Kollegen in München, hätte der Bund verschiedene Möglichkeiten. Er kann die bisherige Regelung beibehalten oder sogar weitgehend abschaffen, wenn es Sonderregelungen für Ehegatten gibt.

Ein vollständige Abschaffung der Pauschale, wie von Umweltverbänden gefordert, aber hält die renommierte Steuerrechtlerin Johanna Hey von der Universität Köln aus verfassungsrechtlicher Sicht schon deshalb für schwer, "weil ein bestimmter Aufwand nicht vermeidbar ist". Hey schlägt deshalb das Gegenteil der geltenden Regelung vor. Statt die Pauschale ab 20 Kilometern wirksam werden zu lassen, solle sie besser bis Kilometer 20gelten. Alternativ könne auch die Werbungskostenpauschale angehoben werden.

Die Handlungsfähigkeit des Bundes sinkt allerdings erheblich, wenn die Verfassungsrichter auch den Paradigmenwechsel in der Pendlerpauschale kassieren. Mit der Gesetzesänderung zum 1. Januar 2007 wird erstmals der Weg zur Arbeit lediglich zu den Mischkosten gezählt. Das sind solche Kosten, deren Ursachen sowohl beruflicher als auch privater Natur sind. Der Gesetzgeber geht davon aus, dass der Weg zur Arbeit und zurück ins traute Heim nicht unabhängig von der privaten Entscheidung gesehen werden könne, wo sich ein Arbeitnehmer häuslich niederlässt.

Die berufliche Hemisphäre beginnt deshalb seit 2007 am Werkstor. Vorher wurde auch der Weg zur Arbeit dieser Hemisphäre zugeordnet.

Sollten die Richter entscheiden, "dass die Aufwendungen für den Arbeitsweg überwiegend durch den Beruf veranlasst sind, dann dürfte die Politik kaum eine Wahl haben, dann muss die alte Pendlerpauschale wieder eingeführt werden", sagt die Kölner Steuerrechtlerin Hey. Das wäre dann der Sieg der CSU und die Niederlage für die Umwelt. Auf ganzer Linie.

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