Steuern:Dem Bund entgehen 70,6 Milliarden Euro

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Die Steuereinnahmen werden in den kommenden Jahren deutlich niedriger sein als erwartet. Das liegt auch an der schwachen Konjunktur. Nun wird darüber gestritten, wo gespart wird.

Von Cerstin Gammelin, Berlin

Die schlechte Konjunktur zwingt die Bundesregierung, ihre Haushaltspläne zu überarbeiten. Weil die Wirtschaft kaum noch wächst, steigen auch die Steuereinnahmen deutlich weniger stark an als erwartet. Allein im Bundeshaushalt fehlen bis 2023 voraussichtlich 10,5 Milliarden Euro, verglichen mit der Finanzplanung vom März. Das geht aus der neuesten Steuerschätzung hervor, die Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD)

am Donnerstag in Berlin präsentierte. Scholz warnte vor hektischen Reaktionen. Die Steuereinnahmen stellten die Bundesregierung vor eine "überschaubare Aufgabe", da sie ja immer noch stiegen, wenn auch weniger. Er forderte seine Ministerkollegen und die Bundesländer auf, gemeinsam daran zu arbeiten, diese Lücke zu füllen, um die schwarze Null zu halten, also keine neuen Schulden zu machen. "Jetzt wird sich zeigen, ob das nur Sprüche waren oder ob sie es ernst gemeint haben", sagte Scholz.

Das Haushaltsloch fällt deutlich größer aus, legt man die vorherige Steuerschätzung vom November 2018 zugrunde. Danach fehlen dem Bund in den nächsten Jahren sogar 70,6 Milliarden Euro. Rechnet man Länder und Gemeinden dazu, summieren sich die erwarteten Steuerausfälle auf 124 Milliarden Euro. Die wichtigste Ursache dafür ist die rückläufige Konjunktur. Im Herbst 2018 ging die Bundesregierung von 1,8 Prozent Wirtschaftswachstum aus, inzwischen liegt die Prognose für dieses Jahr nur noch bei 0,5 Prozent. Entsprechend sinkt das Steueraufkommen.

Scholz hatte die wirtschaftliche Entwicklung bereits im März teilweise bei seiner Haushalts- und Finanzplanung bis 2023 berücksichtigt. Die neue Schätzung fällt allerdings noch einmal deutlich schlechter aus, sodass er die Pläne erneut anpassen muss.

In diesem Jahr fehlen Scholz 3,7 Milliarden Euro, im kommenden Jahr werden es 1,6 Milliarden Euro sein, danach bis 2023 jeweils zwischen 2 und gut 3 Milliarden Euro. Scholz will dennoch an der schwarzen Null, also einem Haushalt ohne zusätzliche Schulden, festhalten. Er hat die Bundesministerien deshalb aufgefordert, Sparpläne vorzulegen. Zusätzliche Ausgaben lehnt er ab.

Aufs Sparen ist die von jahrelang sehr hohen Steuereinnahmen verwöhnte Koalition allerdings nicht vorbereitet. CDU, CSU und SPD hatten im März 2018 vor allem deshalb ein gemeinsames Regierungsprogramm aufstellen können, weil sie mit den Überschüssen eigene Projekte finanzieren konnten. Jetzt wird das Geld knapp. Das sorgt für Misstrauen und Streit.

Unionsfraktionschef Ralph Brinkhaus (CDU) hat eine Generalrevision des Haushalts gefordert. Vize Andreas Jung betonte, die Union stehe für "null Toleranz für neue Schulden und null Spielraum für ein Anziehen der Steuerschraube". Er sprach von einer unverrückbaren schwarzen "Doppel-Null". FDP-Chef Christian Lindner verlangte einen Ausgabenstopp. "Keine neuen Ausgaben und Subventionen", sagte er. Der Bund der Steuerzahler forderte die Regierung zum Sparen auf. "Der Rotstift ist unvermeidbar", sagte Verbandspräsident Reiner Holznagel.

© SZ vom 10.05.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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