Steuerdebatte:Stoiber zu "großem Konsens" bereit

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Die Spitze der Union hat unter wachsendem öffentlichen und internen Druck ihren Willen zum Vorziehen der dritten Steuerreform-Stufe bekundet. CSU-Chef Edmund Stoiber und die CDU-Vorsitzende Angela Merkel boten Bundeskanzler Gerhard Schröder in einem Brief Zusammenarbeit an.

Susanne Höll und Ulrich Schäfer

(SZ vom 2.7. 2003) - Schröder lud die beiden daraufhin zu Konsensgesprächen ein.

Kritik an einer kreditfinanzierten Steuerreform kam von der EU-Kommission, die eine Verletzung des Euro-Stabilitätspakts befürchtet.

Regierungskreisen zufolge wird das deutsche Defizit auch im nächsten Jahr über der Drei-Prozent-Grenze liegen.

Stoiber und Merkel reagierten mit ihrer weitgehenden Zustimmung zum Regierungsplan auf die kontroverse Debatte in ihrer eigenen Partei.

In den vergangenen Tagen hatten sich Unionspolitiker kritisch zum Vorziehen der Steuerreform geäußert und die Pläne der Regierung für nicht finanzierbar erklärt.

Nach Murren der Basis und öffentlicher Kritik entschlossen sich Merkel und Stoiber zu einer Kehrtwende in der Argumentation.

In ihrem Brief forderten sie Schröder auf, rasch Vorschläge zur Finanzierung der vorzeitigen Steuerentlastung vorzulegen. Die Impulse, die von einem Vorziehen ausgehen könnten, dürften nicht "über den Sommer zerredet werden".

In seinem Antwortbrief zeigte sich Schröder erfreut über den Sinneswandel der Union. "Ich freue mich, dass die intensive öffentliche Diskussion dazu führt, dass Sie zu einer gemeinsamen Position kommen wollen, die die Basis für Gespräche mit der Bundesregierung sein kann."

DIW dämpft Erwartungen

Der Kanzler hatte die Opposition zuvor zum Einlenken aufgefordert.

Wer sich jetzt Reformen verweigere, werde vom Wähler "vielleicht nicht jetzt, aber sicher in der Zukunft abgestraft". Er zeigte sich überzeugt, dass die Reform einen kräftigen Wachstumsschub auslösen und sich so zum Teil durch höhere Steuereinnahmen selbst finanzieren werde.

Die "positiven Tendenzen" der Konjunktur müssten unterstützt werden. Dann sei auch das Wachstumsziel der Regierung von zwei Prozent im Jahr 2004 "erreichbar".

Clements Optimismus

Wirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD) hält es für möglich, dass sich allein durch die Entlastung von 23 Milliarden Euro das Wachstum um bis zu einem Prozent erhöhen werde.

Wirtschaftsforscher zweifeln dies aber an.

In seiner jüngsten Konjunkturprognose sagt das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) für 2004 nur ein Plus des Bruttoinlandsprodukts von 1,3 Prozent voraus.

Sollte das Wachstum derart niedrig liegen, würde Deutschland 2004 abermals in Konflikt mit dem Europäischen Stabilitäts- und Wachstumspakt geraten.

Auch die Bundesregierung erwartet, dass das staatliche Defizit dann im dritten Jahr in Folge über der Maastricht-Grenze von drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts liegt.

EU-Währungskommissar Pedro Solbes, der Gespräche mit Clement und Finanzminister Hans Eichel in Berlin führte, forderte die Regierung auf, die Steuersenkung zur Gänze durch Ausgabenkürzungen zu finanzieren und keine Schulden aufzunehmen.

Mix aus Privatisierungen und Subventionsabbau

Die Regierung habe ihm zwar versichert, durch die Steuerreform werde die Defizitgrenze nicht verletzt, er selber sehe aber "einige Risiken".

Die Regierung will die Finanzlücke von etwa 16 Milliarden Euro durch einen Mix aus Privatisierungen, Subventionsabbau und neuen Schulden schließen.

Nach Angaben aus dem Finanzministerium sind dazu weitere Kredite im einstelligen Milliarden-Bereich nötig, zusätzlich zur Kreditaufnahme von 23,8 Milliarden im Haushalt 2004.

Die Union trat, über den Brief an Schröder hinaus, dem Eindruck entgegen, sie wolle ein Vorziehen der Steuerreform blockieren. Stoiber sagte in Berlin: "Wir ermöglichen die Steuerreform", falls sie nicht komplett mit Neuverschuldung finanziert werde. Er wies darauf hin, dass nach Ansicht von Experten ein Drittel der Steuerausfälle durch zusätzliches Wachstum ausgeglichen werden könnte.

Die Frage, ob das bedeute, dass er einer höheren Neuverschuldung von bis zu 30 Prozent zustimmen könne, beantwortete er ausweichend: "Das gilt allenfalls für wirtschaftlich gute Zeiten."

Nach Angaben aus CSU-Kreisen hatte es in der Sitzung der Landesgruppe kritische Stimmen zur Unionsposition gegeben; die Bedenken seien zu stark, die generelle Bereitschaft zu Senkungen zu gering betont worden

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