Steinmeier in Moskau:Mehr reden, weniger Pomp

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Der Besuch in Russland ist eine Gratwanderung: Der Bundespräsident möchte Gespräche, will sich aber nicht instrumentalisieren lassen.

Von Constanze von Bullion, Berlin

Als erster Bundespräsident seit sieben Jahren besucht Frank-Walter Steinmeier an diesem Mittwoch Russland. Steinmeier, der in Moskau Präsident Wladimir Putin und den früheren sowjetischen Staatschef Michail Gorbatschow treffen will, erfüllt sich damit einen politischen Wunsch. Schon als Außenminister hatte er darauf gedrungen, den Gesprächsfaden in den Kreml nicht abreißen zu lassen, aller russischen Aggression in der Ost-Ukraine zum Trotz. Die Reise aber dürfte zur Gratwanderung werden. Denn während die Gastgeber dem Besuch aus Deutschland einen repräsentativen Empfang bereiten wollten, will Steinmeier unbedingt den Eindruck vermeiden, mit seiner Visite kehre wieder Normalität im deutsch-russischen Verhältnis ein. Davon könne keine Rede sein, hieß es vor der Abreise.

Die Grünen-Politikerin Franziska Brantner warnt vor "diplomatischer Leisetreterei"

Der Bundespräsident will schon lange nach Moskau, dabei aber eine Instrumentalisierung durch Putin vermeiden. Zu viel Nähe würde auch den kritischen Russland-Kurs der Bundeskanzlerin konterkarieren. Also hat man sich auf ein Programm ohne großes Protokoll verständigt, auf deutschen Wunsch. Kein Staatsbesuch, sondern ein 25-stündiger Arbeitsbesuch soll es sein, kein Staatsbankett, sondern ein Gespräch plus Abendessen mit Putin. Lieber weniger Pomp, dafür mehr reden, auch mit der Menschenrechtsorganisation Memorial, ist Steinmeiers Losung.

Der Bundespräsident wolle ausloten, wie trotz Ukraine-Krise neues Vertrauen zwischen beiden Ländern wachsen könne, hieß es vor dem Abflug, man mache sich auch keine Illusion über den Stand der Beziehungen. Bei aller Distanzierung - reisen wollte Steinmeier trotzdem. Weshalb die russische Seite sich beeilte, ein passendes Rahmenprogramm anzubieten.

Es fand sich in Gestalt der Moskauer Kathedrale St. Peter und Paul, die 1938 enteignet wurde und nun im Beisein des Bundespräsidenten an die Evangelisch-lutherische Kirche Russlands zurückgeben wird. Die Evangelische Kirche in Deutschland hatte die Rückgabe lange gefordert, auch mit Steinmeiers Unterstützung. Dass nun alles ganz schnell ging und die Kirche pünktlich zum Reformationsjubiläum zurückgegeben wird, dürfte keinem Tauwetter im Kreml geschuldet sein. Vielmehr scheint sich der Reisewunsch Steinmeiers mit dem Interesse Putins getroffen zu haben, den Gast zeitnah ins Land zu holen. Die Kirchenrückgabe bietet dafür lediglich die Kulisse. Der CDU-Politiker Roderich Kiesewetter forderte Steinmeier zu deutlichen Worten auf. "Steinmeier muss klar aussprechen, welche Grundlagen einer vertrauensvollen Zusammenarbeit zwischen Europa und Russland wiederhergestellt werden müssen", sagte er der Welt. Die Grünen-Europaexpertin Franziska Brantner warnte vor "diplomatischer Leisetreterei".

© SZ vom 25.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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