Statistisches Jahrbuch:Acht deutsche Merkwürdigkeiten

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Jedes Jahr veröffentlicht das Statistische Bundesamt ein dickes Buch voller Zahlen, Tabellen und Grafiken. Das Material ist trocken. Doch wer im Datensalat stochert, erfährt auch Skurriles - etwa warum Deutschland größer wird und wo sich Verbrechen am ehesten lohnen.

Von Markus C. Schulte von Drach

Das Jahrbuch des Statistischen Bundesamtes ist ein 693 Seiten starkes Dokument, vollgepackt mit Daten und Zahlen, Tabellen und Grafiken. Wer diese Tatsache als abschreckend wahrnimmt, verpasst etwas. Und niemand, der sich wirklich für Politik, Wirtschaft, Soziales, Gesundheit, Bildung oder andere Aspekte des Lebens in Deutschland interessiert, kommt um das jährlich veröffentlichte Werk herum.

Gräbt man sich tief genug in die Papiere hinein, belohnt das Bundesamt die Mühe aber auch mit der einen oder anderen netten, seltsamen oder auch besorgniserregenden Überraschung. Acht merkwürdige Fakten.

Deutschland wird immer größer

Deutschland, so zeigt der Blick in das Kapitel Geografie und Klima, verändert immer wieder seine Größe. Dem Jahrbuch nach, das vor allem auf Daten aus dem Jahr 2012 zurückgreift, beträgt die Fläche unseres Landes 357 168 Quadratkilometer. Ein Jahr zuvor waren es allerdings 357 137 Quadratkilometer - 31 weniger. Und 2010 war das Land noch einmal 16 Quadratkilometer kleiner. Der Zuwachs von 2011 auf 2012 rührte vor allem von einer Flächenvergrößerung in Mecklenburg-Vorpommern (17 Quadratkilometer) und Nordrhein-Westfalen (zwölf Quadratkilometer).

Noch dramatischer allerdings war der Zuwachs an Fläche bis 2013. Diese Zahlen stehen zwar nicht im Jahrbuch. Vor einigen Tagen allerdings haben die statistischen Ämter der Bundesländer eigene Daten veröffentlicht. Und diesen zufolge hat Deutschland bis Ende 2013 weitere 172 Quadratkilometer gewonnen. Und diesmal geht der Flächenzuwachs fast ausschließlich auf Daten aus Brandenburg zurück.

Die Veränderungen hat nichts damit zu tun, dass Deutschlands Strände ins Meer wachsen, und auch die Plattentektonik ist unschuldig. Es ist vielmehr so, dass die Flächenangaben, die bei den Ämtern eingehen, zum großen Teil sehr alt sind. Werden Gebiete nun mit modernen Methoden gemessen, ändern sich die Daten. Seit einiger Zeit stellen die Bundesländer ihre sogenannten Liegenschaftskataster, in denen die Flurstücke der Gemeinden aufgeführt werden, auf ein neues, elektronisches Kartensystem namens Alkis um. 2013 war Brandenburg an der Reihe. Und die dafür vorgenommenen Messungen haben nun ergeben: Deutschland ist größer als bislang gedacht.

Wo es Deutsche hinzieht

Auch die Größe der Bevölkerung in den Bundesländern ändert sich - und zwar nicht nur aufgrund der Geburtenrate oder der Migration aus dem Ausland. Viele Deutsche ziehen von einem Bundesland in ein anderes. Besonders auffällig ist, dass etwa aus Nordrhein-Westfalen 2012 insgesamt 16 744 mehr Deutsche weg- als zugezogen sind. Bayern zählte dagegen fast 13 000 mehr Zuzügler aus anderen Bundesländern als Menschen, die das Land verließen. In Berlin lag das Plus mit etwa 11 100 ähnlich hoch. Einen klaren Trend für die neuen Bundesländer gibt es übrigens nicht. Während in Brandenburg und Sachsen je einige Tausend Deutsche mehr zu- als wegzogen, war es in Sachsen-Anhalt und Thüringen umgekehrt.

Etliche Deutsche wandern auch ins Ausland ab. Mit fast 21 000 ging die größte Gruppe allerdings nicht weiter als bis in die Schweiz.

Alleinerziehend oder Kernfamilie: Gedaddelt wird immer

Es ist ein böser Verdacht: Setzen gestresste Eltern ihre Kinder gern mit der Spielkonsole vor den Fernseher, damit Ruhe ist? Dass es dort, wo Kinder sind, auch häufiger Konsolen gibt, ist keine Überraschung. Tatsächlich verfügt nur etwa jedes fünfte Paar ohne Nachwuchs über ein solches Gerät, mit Kindern sind es dagegen mehr als 60 Prozent. Von Alleinerziehenden, die gemeinhin weniger Zeit für den Nachwuchs haben dürften, besitzen aber nur 58 Prozent eine Konsole. Demnach besteht bei ihnen etwas weniger häufig überhaupt die Möglichkeit, die Kinder auf diese Weise zu beschäftigen.

Familienstress führt nicht zum Alkohol...

Von ihrem Geld geben die Deutschen zwar nicht überraschend viel Geld für alkoholische Getränke und Tabakwaren aus. Doch wer tatsächlich wie viel in legale Drogen investiert, überrascht. So geben Alleinlebende im Durchschnitt 24 Euro je Monat für solche Konsumgüter aus, Alleinerziehende brauchen sogar einen Euro mehr. Paare ohne Kind kommen erwartungsgemäß auf das Doppelte. Haben sie jedoch Nachwuchs, halten sie sich etwas stärker zurück und geben nur 40 Euro aus. Es lässt sich also weder eine deutlich Neigung feststellen, auf legale Drogen zu verzichten, wenn Kinder im Haus sind, noch steigt der Bedarf etwa aufgrund nervlicher Belastungen erkennbar an.

... aber es gibt immer mehr Alkoholexzesse

Was allerdings deutlich zugenommen hat, ist der exzessive Konsum von Alkohol bei Männern und Frauen. Die Zahl von Patienten, die nach einem Alkoholrausch stationär im Krankenhaus behandelt werden mussten, ist bei Männern seit dem Jahr 2000 von fast 39 000 auf etwa 85 000 gestiegen. Bei Frauen waren es insgesamt weniger, aber die Zunahme ist ebenfalls deutlich: von etwa 15 200 auf 36 600. Betroffen waren vor allem Jugendliche und Erwachsene bis 30 Jahre sowie Personen zwischen 40 und 60 Jahren. Welche Rolle hier Faktoren wie die Finanzkrise und die sich öffnende Schere zwischen Arm und Reich spielen könnten, müssen die Sozialwissenschaftler klären.

Auto- und Fahrraddiebe haben gute Karten, Ladendiebe nicht

Wer eine kriminelle Karriere einschlagen will, kann sich im Jahrbuch darüber schlau machen, mit welchen Delikten er oder sie am ehesten ungestraft davon kommt. Mord und Totschlag gehören ganz klar nicht dazu - hier liegt die Aufklärungsrate bei 96 Prozent. Wobei dies natürlich damit zusammenhängt, dass Täter und Opfer in der Regel Bekannte oder sogar Verwandte waren. Auch andere Gewalt- oder Sexualstraftaten werden in acht von zehn Fällen aufgeklärt.

Anders ist es allerdings bei Diebstahl. Wer Autos klaut, bleibt in einem von vier Fällen unbehelligt. Fahrraddiebstähle kommen sogar nur in zehn, Taschendiebstähle nur in fünf Prozent der Fälle zur Aufklärung. Auch Einbrecher werden eher nicht erwischt. Ladendiebstähle dagegen werden fast immer aufgeklärt, genau wie Rauschgiftdelikte.

Ungeklärter Männertod

Nicht gerade beruhigend ist übrigens die Tatsache, dass bei fast zwei Prozent der Männer, die in Deutschland 2012 gestorben sind, die Todesursache nicht eindeutig oder überhaupt nicht geklärt wurde - trotz der Fortschritte der Medizin. Bei Frauen fanden die Ärzte dagegen fast immer die Ursache. Man wüsste als Mann schon gern, wovor man sich da in Acht nehmen müsste. Leider wird das im Jahrbuch nicht näher erklärt.

Babys werden kaum adoptiert

Die Vorstellung, vor allem Paare, die selbst keine Kinder bekommen können, würden Nachwuchs adoptieren, stimmt offenbar nicht. Adoptiert werden in Deutschland nicht in erster Linie neugeborene Babys und Säuglinge, sondern Kinder im Alter zwischen ein und drei Jahren sowie ab dem sechsten Lebensjahr. Letzteres hängt vermutlich damit zusammen, dass die meisten Adoptionen durch Stiefväter oder -mütter stattfinden. Das bedeutet, ein Elternteil geht eine neue Beziehung ein und übernimmt darin auch offiziell die Vater- oder Mutterrolle. Werden Kinder von Personen adoptiert, mit denen sie überhaupt nicht verwandt sind, handelt es sich meist um Ein- bis Dreijährige. Kinder im ersten Lebensjahr dagegen werden kaum adoptiert.

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