Stasi-Unterlagen-Behörde:Unklare Zukunft, heikle Personalie

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Roland Jahn, Chef der Stasi-Unterlagen-Behörde: Demnächst steht seine Bestätigung im Amt an, doch er ist nicht unumstritten. (Foto: Bernd von Jutrczenka/dpa)

Bevor über die Stasi-Unterlagen-Behörde entschieden wird, geht es erst um den Vertrag des Chefs. Das gefällt nicht jedem.

Von Franziska Augstein, München

Als Roland Jahn, der zu DDR-Zeiten monatelang in Untersuchungshaft saß, 2011 zum "Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik" bestellt wurde, machte er klar: Er verstehe sich als Fürsprecher der Opfer des SED-Regimes. Das ist in der offiziellen Job-Beschreibung des Behördenleiters nicht vorgesehen. Aber weil es nicht um Bauauflagen geht, sondern um Menschen, wurde Jahns eigenwillige Amtsauslegung respektiert. Liebenswürdig und mit großen Worten hatte er sich eingeführt. Auch deshalb hadern manche mit dem Umstand, dass es Jahn nicht zu Gebote steht, gehaltsunabhängige Renten für Opfer des DDR-Systems durchzusetzen. Sein Leumund bei Angehörigen der Opferverbände könnte besser sein. Auch aus Jahns Behörde kommt Kritik. Beklagt wird mangelnde Konsultation der Fachkräfte: Wichtige Entscheidungen würden nicht mit den Abteilungsleitern besprochen, sondern in einer Art Küchenkabinett beschlossen. Demnächst steht Jahns Bestätigung im Amt an: für fünf Jahre.

Der Bundestag hat eine Kommission eingesetzt, die darüber befinden soll, wie es mit der Stasi-Unterlagen-Behörde weitergeht. Deren Empfehlungen werden im kommenden Frühjahr vorliegen, nach dem Termin, an dem über die Verlängerung von Jahns Vertrag befunden werden muss. In den Augen von SPD-Politikern ist das die falsche Reihenfolge. Wolfgang Thierse, ein Mitglied der Kommission, sagte der Berliner Zeitung: Erst kämen die Empfehlungen, dann entscheide der Gesetzgeber, und "erst dann wissen wir, welchen Typus an der Spitze wir wirklich brauchen". SPD-Politiker schlagen vor, Jahn möge sein Amt kommissarisch ausüben, bis der Bericht der Kommission vorliegt. Erst danach solle über seine Vertragsverlängerung entschieden werden. Es wäre nicht das erste Mal, dass so verfahren würde: Als 2005 die Vertragsverlängerung von Jahns Vorgängerin Marianne Birthler anstand, fanden Bundestagswahlen statt. Birthler wollte nicht von einem Parlament auf Abruf gewählt werden und erwirkte daher, ihr Amt kommissarisch auszuüben, bis der neu konstituierte Bundestag sie darin bestätigen konnte.

Was in den Augen der SPD-Kulturpolitiker vernünftig und einleuchtend ist, wird von dem CDU-Abgeordneten Marco Wanderwitz, dem kultur- und medienpolitischen Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag bestritten: Die Argumente der SPD "überzeugen mich in keinster Weise", wurde er im Kölner Stadtanzeiger zitiert. Denn "der Beratungsauftrag der Kommission umfasst Personalien ausdrücklich nicht". Wohl aber erstreckt er sich auf die Arbeit der Behörde und damit auf die Tätigkeiten des Behördenleiters.

Wird die Behörde aufgelöst? Einige Details sickerten durch, doch noch bleiben Fragen

Die Bundestagskommission hatte vereinbart, über ihre Unterredungen Stillschweigen zu bewahren. Nachdem nun das Geplänkel zwischen Wolfgang Thierse und Marco Wanderwitz öffentlich wurde, ist es damit nicht mehr weit her. Aus dem Kreis der Beiräte der Stasiunterlagen-Behörde wurde bekannt, dass man sich über die Zukunft der 111 Kilometer Akten bereits geeinigt habe: Sie sollen als besonderer Bestand der Obhut des Bundesarchivs übergeben werden.

Dass die Behörde in irgendeiner, wenn auch viel bescheideneren Form überdauern wird, scheint ausgemacht. Ob sie tatsächlich eigene Bücher publizieren muss, ist strittig. Im Gespräch ist außerdem, das Amt eines Ombudsmanns für Angelegenheiten der Opfer des DDR-Regimes einzurichten.

© SZ vom 26.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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