Angela Merkel ist dagegen, eine Verschärfung der Regeln für die doppelte Staatsbürgerschaft zum Thema des Bundestagswahlkampfes zu machen. Die Bundeskanzlerin sagte dem Kölner Stadt-Anzeiger: "Eine Wahlkampfkampagne wie 1999 wird der Doppelpass nicht werden". Auch ein spezielles Islam-Gesetz lehnte Merkel in dem Interview ab.
Damit dürfte sie zahlreiche Parteikollegen und Unionsanhänger enttäuschen, die darauf hoffen, dass die CDU-Chefin mit den Reizthemen der Integrationsdebatte in den Kampf um Stimmen bei der Bundestagswahl am 24. September zieht. Auch die Frage nach einer deutschen Leitkultur, die CDU-Innenminister Thomas de Maizière gerade wieder angefacht hat, gehört zu diesen Themen. Im Dezember hatte der CDU-Parteitag sich gegen den Willen Merkels dafür ausgesprochen, die 2014 eingeführte Doppelpass-Regelung rückgängig zu machen. Mit ihr war insbesondere den in Deutschland geborenen Kindern türkischer Eltern die doppelte Staatsbürgerschaft erleichtert worden. Auf dem Höhepunkt der Auseinandersetzung um das Referendum zur Verfassungsänderung in der Türkei hatten viele CDU-Politiker gefordert, das Recht auf den Doppelpass wieder zu beschränken oder ganz abzuschaffen. Die breite Unterstützung der Deutschtürken für eine weithin als autoritär angesehene Präsidialverfassung in der Türkei zeige, wie problematisch doppelte Staatsloyalitäten werden könnten, argumentierten sie.
Auch SPD, Linke, Grüne und FDP sind gegen eine Abschaffung der doppelten Staatsbürgerschaft
Wie viele Doppelstaatler es in Deutschland gibt, ist unklar. Beim Mikrozensus 2015 gaben 246 000 Türken, 228 000 Russen und 220 000 Polen an, auch die deutsche Staatsbürgerschaft zu besitzen; beim Zensus 2011 lagen die Zahlen bei 560 00 Türken, 570 000 Polen und 690 000 Russen. Einer Untersuchung der Universität Münster zufolge behalten vor allem gut ausgebildete und integrierte Migranten neben der deutschen eine weitere Staatsbürgerschaft. SPD, Linke, Grüne und FDP sind gegen eine Abschaffung der doppelten Staatsbürgerschaft, die AfD ist dafür.
Über die von ihrem Innenminister angestoßene Leitkulturdebatte äußerte sich Merkel in dem Interview nicht. Allerdings hat sie immer wieder gefordert, Deutschland müsse sich seiner eigenen Leitkultur vergewissern - und sie hat auch im vergangenen Dezember auf dem Parteitag dem Leitantrag zugestimmt, der von einer Leitkultur in Deutschland als "einigendem Band" spricht.