Sri Lanka: Rebellenführer Prabhakaran:"Tyrann der Tiger"

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Der Gründer der Befreiungstiger Prabhakaran soll tot sein. Der Rebellenführer wurde jahrelang gesucht - und gefürchtet. Er gilt als Erfinder des Sprengstoffgürtels und trug stets eine Kapsel mit Blausäure bei sich.

Matthias Kolb

Er ist der Staatsfeind Nummer eins in Sri Lanka. "Dieser Krieg endet erst, wenn wir Prabhakaran gefasst haben", tönte Präsident Mahinda Rajapakse im indischen Magazin India Today. Ob er den Anführer der Liberation Tigers of Tamil Eelam (LTTE) lieber tot oder lebendig fassen würde, sagte das Staatsoberhaupt bei dem Interview zu Jahresbeginn nicht, doch an Bedeutung hat Top-Rebell Velupillai Prabhakaran nicht verloren.

Der Rebellenführer neben der Fahne der Befreiungstiger: Velupillai Prabhakaran. (Foto: Foto: AFP)

Meldungen des srilankischen Militärs und aus Regierungskreisen, man habe seine Leiche gefunden, konnten bisher nicht von unabhängiger Seite bestätigt werden - Rebellen und Regierung liefern sich seit Monaten eine Propagandaschlacht. In der Hauptstadt Colombo kursiert etwa das Gerücht, Prabhakaran könnte in einer Unterwasserkapsel vor der Küste Sri Lankas leben. Fest steht, dass er seit mehr als einem Jahr von der Bildfläche verschwunden ist.

Eines scheint jedoch sicher: Prabhakaran wird solange wie möglich kämpfen oder sich verstecken. "Er kann nicht aufgeben", sagt etwa sein indischer Biograph M. R. Narayan Swamy. "Ein Prabhakaran, der kämpft und unterliegt, wird eine Legende werden, zumindest für sein Volk." Bei einem Prabhakaran, der die Flucht ergreife, sei das etwas ganz anderes. Schon 1999 schrieb das Institut für Friedens- und Konfliktforschung in Neu-Delhi "Prabhakaran ist die LTTE, und die LTTE ist Prabhakaran."

Zu den zahlreichen Legenden gehört die Kapsel mit Blausäure, die der 1954 geborene Kämpfer angeblich um den Hals hängen hat, um sich im Falle einer Verhaftung durch das Militär selbst zu töten - und als Märtyrer in die Geschichte seines Volkes einzugehen. In Colombo geht deshalb das Gerücht um, Prabhakaran habe sich an der Seite von ranghohen Gefolgsleuten in die Luft gesprengt, um sicherzugehen, dass keine Leiche gefunden werden kann. Eine unabhängige Bestätigung: auch hier Fehlanzeige.

"Tyrann der Tiger", "größenwahnsinniger Terrorist" oder "Sonnengott der Tamilen" - so wird Prabhakaran in internationalen Medien beschrieben. Bereits als 18-Jähriger soll er sich für Napoleon und Alexander den Großen interessiert haben. 1976 gründete er die LTTE und formte sie zu einer Tötungsmaschine. Seit dem Beginn des Bürgerkriegs sind mindestens 75.000 Menschen gestorben.

Prabhakaran, der als "dicklich" und "gedrungen" beschrieben wird, gilt als Erfinder der Sprengstoff-Weste, mit denen die "Schwarzen Tiger" ihre Selbstmord-Attentate durchführten. Mindestens 240 Anschläge wurden gezählt - 1991 wurde der frühere indische Ministerpräsident Rajiv Gandhi ermordet, zwei Jahre später der damalige Präsident Sri Lankas. Ohne Skrupel schickte er Frauen und Kinder als Attentäter in den Tod.

Experten bescheinigen ihm militärisches Geschick. Die Nachrichtenagentur AFP sieht in seinen Strategien eine Kombination der Eigenschaften seiner berüchtigten "Kollegen" aus anderen Ländern: Er verbinde die taktische Raffinesse eines Ahmad Schah Massud in Afghanistan mit der Brutalität eines Osama bin Laden und der Entschlossenheit des lateinamerikanischen Revolutionäres Ché Guevara. Im Westen wird er als Terrorist eingestuft.

Das Ziel, für das die Befreiungstiger mit blutigem Terror kämpfen, ist einfach: Die tamilische, hinduistische Minderheit fühlt sich auf der von buddhistischen Singhalesen beherrschten Insel seit langem als eine Ethnie zweiter Klasse und wünschen sich einen unabhängigen Tamilen-Staat im Norden und Osten Sri Lankas.

Dieses Foto des jungen Prabhakaran veröffentlichte das srilankische Verteidigungsministerium. (Foto: Foto: AFP)

Berichte aus dem Machtzirkel der Tamil Tigers gibt es kaum - einige lesen sich wie Schilderungen aus dem Innenleben einer Sekte. In den Anfangsjahren lebten die Krieger zölibatär und durften keine Beziehungen haben - das änderte sich erst, als sich der Anführer selbst in eine Kämpferin namens Mathivatani Erambu verliebte und sie 1984 heiratete. Das Paar hat mindestens zwei Kinder - womöglich hält sich die Familie in Australien versteckt.

Der Personenkult um Prabhakaran, der sich angeblich stets mit "großer Führer" anreden lässt, ist enorm: Er wird in Liedern und Gedichten besungen und in kitschigen Porträtbilder glorifiziert. Das lange Leben im Untergrund blieb nicht ohne Folgen auf seine Persönlichkeit: Er wittere überall Verrat und lasse selbst langjährige Vertraute und Weggefährten umbringen, wenn er Zweifel an ihrer Loyalität habe. Auch mehrere tamilische Politiker, die sich für eine politische Lösung des Konflikts einsetzten, ließ er verfolgen, einschüchtern und töten.

In Colombo ist man sich einig: Solange sein Tod nicht bestätigt oder seine Gefangennahme nicht vermeldet werde, ist der Konflikt in Sri Lanka nicht zu Ende. Dies sagte etwa der einstige LTTE-Mitbegründer Dharmalingam Sithadthan, der heute Politiker ist, der Nachrichtenagentur AFP. Zwar sei die Leistungsfähigkeit der Rebellen "völlig" zerstört worden, "aber solange Prabhakaran nicht gefunden ist, ist der Sieg nicht komplett".

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