Sportpolitik:IAT-Chef vor Olympia: Keine Leistungssprünge zu erwarten

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Leipzig (dpa) - Leistungsdichte und internationale Konkurrenzsituation im Sport haben sich nach Beobachtung von Wissenschaftlern extrem verschärft.

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Leipzig (dpa) - Leistungsdichte und internationale Konkurrenzsituation im Sport haben sich nach Beobachtung von Wissenschaftlern extrem verschärft.

„In der Weltspitze geht es sehr, sehr eng zu. Unsere Forschungen haben ergeben: Wer 0,4 Prozent von der Siegerleistung weg ist, ist praktisch schon aus dem Medaillenrennen raus“, sagte Ulf Tippelt, der Direktor des Instituts für Angewandte Trainingswissenschaft (IAT), bei einem Medientag in Leipzig. Die Experten stützen sich bei diesem Durchschnittswert auf Daten und Analysen aus verschiedenen olympischen Sportarten.

Bei den Olympischen Spielen in Rio bekommen die deutschen Asse nicht nur Konkurrenz von den großen etablierten Sportnationen, sondern auch „von den kleinen Ländern, die sich nur auf ein, zwei Disziplinen oder Sportarten konzentrieren“, erklärte der IAT-Chef. Tippelt glaubt, dass das deutsche Olympia-Team in Brasilien in etwa die Gesamtausbeute von London 2012 erreichen kann. Er sprach von „37 bis 45 Medaillen“ und damit „Platz vier bis acht in der Nationenwertung.“ Vor vier Jahren war das deutsche Olympia-Team mit 44 Plaketten (11 Gold/19 Silber/14 Bronze) Fünfter im Medaillenspiegel.

„Es sind keine Leistungssprünge zu erwarten“, prognostizierte Tippelt, „aber wir sehen auch nicht, dass wir im Vergleich zur Weltspitze massiv einbüßen.“ Seit 1992 analysiert das IAT die Situation bei konkurrierenden Sportnationen.

Tippelt nannte sechs Sportarten, bei denen nach Auswertung vorolympischer Weltmeisterschaften ein positiver Trend ausgemacht wurde: Bahnradsport, Kanu (Rennsport/Slalom), Boxen, Judo, Sportschießen und Wasserspringen.

An die vier Top-Nationen von London komme man aber nicht heran, wobei hinter Russland nach den Doping-Enthüllungen der jüngeren Vergangenheit noch ein Fragezeichen stehe, betonte Tippelt. Inwieweit sich China weiter ganz oben etablieren kann, bleibe ebenfalls abzuwarten. China habe nach London 2012 der Entwicklung des Leistungssports nicht mehr die höchste Priorität eingeräumt, sagte Fachbereichsleiter Hartmut Sandner der Deutschen Presse-Agentur. „Sie haben aber eine unendliche Breite an Sportlern, da ist ganz schwer einzuschätzen, wie der Leistungsstand tatsächlich ist.“

Für Brasilien erwarten die IAT-Experten im Vergleich zu früheren Olympia-Gastgebern keine besondere Medaillenschwemme. „In Mannschaftssportarten sind sie natürlich stark, aber ansonsten sind es eher Einzelakteure, die für vordere Plätze in Frage kommen. Die Leistungssportentwicklung in Brasilien ist nicht auf Nachhaltigkeit ausgelegt. Platz acht bis 15 in der Medaillenwertung ist realistisch“, sagte Sandner.

Das IAT wurde 1992 als zentrale Forschungseinrichtung des deutschen Spitzen- und Nachwuchsleistungssports gegründet. Es hat 120 Mitarbeiter. Der Etat betrug im Vorjahr 9,3 Millionen Euro.

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