Spitzentreffen:Nur mit Putin

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Kanzlerin Angela Merkel reist nach Moskau und betont gemeinsame Interessen mit Russland. Ohne den Kremlchef geht in Libyen ohnehin nichts mehr - nun stimmt er einem internationalen Gipfel in Berlin zu. Der soll Frieden bringen.

Von Silke Bigalke, Moskau

„Miteinander reden, statt übereinander“: Angela Merkel bei ihrem Treffen mit Wladimir Putin (rechts). (Foto: Pavel Golovkin/AP)

Es gab diesen Moment, den russische Kameras im Kreml festhielten. Angela Merkel und Wladimir Putin hatten sich begrüßt und gerade auf weißen Sesseln Platz genommen. "Ich wollte dir nur zeigen", sagte da Merkel und beugte sich zum Kremlchef hinüber, "dort ist auch unser Außenminister". Putin und Merkel duzen einander, sie kennen sich schon lange, sie brauchen keinen Übersetzer, denn Putin spricht Deutsch. Die beiden reden häufig miteinander, doch im Kreml war Merkel seit fast fünf Jahren nicht mehr.

Das Berliner Treffen soll einen Friedensprozess in Nordafrika anstoßen

Ihr Besuch am Samstag war kein spontanes Krisentreffen wegen der angespannten Lage im Nahen Osten. Die Bundeskanzlerin brachte neben Außenminister Heiko Maas (SPD) eine kleine Delegation und eine klare Agenda mit. Sie war gekommen, weil sich einige Krisen längst nicht mehr ohne den russischen Präsidenten lösen lassen. Das gilt auch für Libyen, das am Samstag Merkels wichtigstes Anliegen war. Sie warb um Putins Unterstützung für einen internationalen Gipfel in Berlin, der einen Friedensprozess für das Bürgerkriegsland anstoßen soll. Die Bundesregierung bemüht sich seit Monaten darum, von Putin bekam sie nun offenbar grünes Licht. "Wir waren uns einig, dass wir jetzt bald zu einer Konferenz nach Berlin einladen können", sagte Merkel. Dabei gehe es um die Zukunft Libyens, um Frieden, aber auch um Souveränität. Es müsse verhindert werden, "dass zu viele Länder von außen versuchen, Einfluss zu nehmen".

Russland ist eines der Länder, die den Konflikt durch ihr Eingreifen verschärft haben. Putin unterstützt den libyschen Kriegsherrn Khalifa Haftar, der die Regierung in Tripolis angreift. An seiner Seite kämpfen Söldner der russischen Wagner-Gruppe. Hinter dem Militärunternehmen steht ein enger Vertrauter Putins, doch der stritt jede Verantwortung ab. Sollte es russische Bürger in Libyen geben, sagte Putin am Samstag, "so vertreten sie nicht die Interessen des russischen Staates" und würden nicht von ihm bezahlt. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan sprach von 2000 russischen Söldnern in Libyen. Erdoğan unterstützt die Regierung in Tripolis gegen Haftar. Wie schon in Syrien stehen sich Putin und Erdoğan in einem Stellvertreterkrieg gegenüber.

Es besteht die Sorge, dass Libyen zu einem zweiten Syrien werden könnte. In Syrien herrscht seit fast neun Jahren Krieg, dort sind die Türkei und Russland ganz offen an den Kämpfen beteiligt. Nun braucht Merkel Moskaus und Ankaras Wohlwollen für den libyschen Friedensprozess. Im Kreml lobte sie die türkisch-russischen Bemühungen für einen Waffenstillstand, sowohl in Libyen als auch in Syrien.

Tatsächlich bemühten sich Putin und Erdoğan zuletzt um Deeskalation. Wie sehr sie die libyschen Geschicke bereits beeinflussen, zeigten die vergangenen Tage. Am Mittwoch forderten sie eine Waffenruhe, die von Sonntag an gelten sollte. Putin sagte am Samstagabend, die Kampfhandlungen sollten binnen fünf Stunden eingestellt werden. Tatsächlich stimmte General Haftar der Waffenruhe kurz darauf zu. Derweil schlug Italiens Außenminister Luigi Di Maio vor, den Konflikt durch ein Treffen mit Italien, Russland und der Türkei zu entschärfen. Unter UN-Mandat sollten Truppen nach Libyen entsandt werden.

Auch in Syrien gilt nach russischen Angaben seit Donnerstag ein Waffenstillstand in der umkämpfen Region Idlib, die ebenfalls Thema von Merkel und Putin war. Der Kremlchef unterstützt Syriens Machthaber Baschar al-Assad, die russische Luftwaffe flog dafür Angriffe selbst auf zivile Ziele. Nun wirbt Putin für eine politische Lösung, die Assads Regierung weiter stabilisieren soll. Er möchte das Kriegsland mit internationaler Hilfe wieder aufbauen, am Samstag nannte er Wasserversorgung, Schulen und Krankenhäuser. Merkel ist daran gelegen, dass Flüchtlinge ins Land zurückkehren können. Sie mahnte, dass es in Syrien, "gleichermaßen wie in Libyen", keine militärischen, sondern nur Verhandlungslösungen geben könne.

Putin sagt, er wolle Syrien mit internationaler Hilfe wieder aufbauen

Ohnehin hatte die Kanzlerin als Motto des Treffens ausgegeben, "miteinander reden, statt übereinander". Auf den Krieg in der Ostukraine, größter Streitpunkt in den deutsch-russischen Beziehungen, gingen sie nicht allzu lange ein. Merkel und Putin hatten im Dezember mit den Präsidenten Frankreichs und der Ukraine über die Ostukraine verhandelt. Ein "doch teilweise erfolgreiches Treffen" nannte Merkel es nun.

Merkel und Putin bemühten sich, gemeinsame Interessen zu unterstreichen, wie die Pipeline Nordstream 2, die russisches Erdgas nach Deutschland bringen soll. Der Bau verzögert sich, weil die USA beteiligten Firmen mit Sanktionen droht. Merkel sagte, sie halte "exterritoriale Sanktionen nicht für richtig". Putin sagte, die Arbeiten würden aber bis Jahresende oder im ersten Quartal 2021 beendet.

© SZ vom 13.01.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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