SPD in der Edathy-Affäre:Aussage gegen Aussage

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An diesem Donnerstag muss Sebastian Edathy vor dem Untersuchungsausschuss des Bundestags erscheinen. (Foto: dpa)
  • Im Fall Edathy rückt der Informationsfluss innerhalb der SPD erneut in den Mittelpunkt des Interesses - am Donnerstag muss sich Sebastian Edathy im Untersuchungsausschuss des Bundestags selbst zur Affäre äußern.
  • SPD-Fraktionschef Oppermann und der SPD-Abgeordnete Hartmann haben, bevor die Affäre aufflog, über Edathy gesprochen. Doch um die Kinderporno-Vorwürfe soll es dabei nicht gegangen sein - obwohl beide davon wussten.

Von Nico Fried, Berlin

Als der Bundestag Anfang Juli 2014 den Untersuchungsausschuss zum Fall Edathy einsetzte, gab sich die designierte Vorsitzende Eva Högl (SPD) gelassen. Ihrer Meinung nach hatte bereits der Innenausschuss in vier Sitzungen "alle relevanten Fragen ausreichend erörtert und auch eine ausreichende Erklärung bekommen", sagte Högl. Genau das jedoch muss man seit dem Wochenende bezweifeln.

Die jüngste Darstellung des früheren SPD-Abgeordneten Sebastian Edathy, er sei von seinem Fraktionskollegen Michael Hartmann über mögliche strafrechtliche Ermittlungen informiert worden, wirft neue Fragen auf, allein schon weil sie Edathys bisherigen Aussagen widerspricht. Hartmann, der frühere innenpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, hat Edathys Version am Sonntag in einer Presseerklärung zurückgewiesen. Edathy habe sich ihm offenbart, nicht umgekehrt. Nun steht Aussage gegen Aussage.

Gespräch, in dem nicht jeder alles gesagt haben will

Die SPD bemühte sich am Montag, der Angelegenheit keine große Bedeutung beizumessen. Man habe im Präsidium "nur kurz" darüber gesprochen, sagte Parteichef Sigmar Gabriel nach der Sitzung. Alles weitere sei Sache des Untersuchungsausschusses. Tatsächlich dürfte der sich nun unter neuen Voraussetzungen mit dem Informationsaustausch in der SPD befassen.

In den Mittelpunkt des Interesses rückt dabei ein Gespräch des heutigen Fraktionschefs Thomas Oppermann und Michael Hartmann. Darin ging es zwar um Edathy, angeblich aber nicht um die Kinderporno-Vorwürfe, obwohl beide davon wussten. Ein Gespräch, in dem nicht jeder alles gesagt haben will.

Verdacht auf Kinderporno-Besitz
:Gericht lässt Anklage gegen Edathy zu

Der frühere SPD-Bundestagsabgeordnete Sebastian Edathy muss wegen des mutmaßlichen Besitzes von kinderpornografischen Fotos und Videos vor Gericht. Ende Dezember will sich Edathy in Berlin Fragen der Presse stellen.

Von Annette Ramelsberger

Rückblick: Seit Oktober 2012 wertete das Bundeskriminalamt (BKA) Kundendaten eines Händlers von kinderpornografischem Material aus, die kanadische Ermittler ein Jahr zuvor übermittelt hatten. Am 15. Oktober 2013 erfuhr das BKA von der Polizei Nienburg, dass es sich bei dem Sebastian Edathy, dessen Name unter den Kunden geführt wurde, die nicht strafbares Material erworben hatten, um den Bundestagsabgeordneten des Wahlkreises Nienburg-Schaumburg handelte.

BKA-Chef Jörg Ziercke setzte am 16. Oktober 2013 das Bundesinnenministerium in Kenntnis. Ressortchef Hans-Peter Friedrich (CSU) informierte am Rande der Verhandlungen für eine große Koalition SPD-Chef Sigmar Gabriel darüber, dass Edathy kein strafbares Material erworben habe, strafrechtliche Ermittlungen aber noch möglich seien. Gabriel gab die Information an den damaligen Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier und Geschäftsführer Oppermann weiter. Friedrich trat wegen dieser Indiskretion später als Bundesminister zurück.

Am 8. November 2013 führte Edathy ein Gespräch mit Oppermann. Es sei lediglich um Edathys "Karrierewünsche" gegangen, berichtete Oppermann später vor dem Innenausschuss. Am 14. November 2013 begann der SPD-Parteitag in Leipzig. Einen Tag später berichteten Medien über die Zerschlagung eines Kinderporno-Rings in Kanada. Edathy behauptet nun, Hartmann habe ihn am Rande des Parteitags über die ihn betreffenden Erkenntnisse des BKA informiert. Seine Informationen soll Hartmann vom damaligen BKA-Präsidenten Jörg Ziercke erhalten haben.

Ziercke und Hartmann widersprachen am Wochenende. Hartmann erklärte, bei einer Abendveranstaltung am 15. November habe ihm vielmehr Edathy gesagt, "dass er bei der in Rede stehenden Firma Kunde gewesen war". Edathy habe sich Sorgen gemacht "und fragte mich, ob ich ihm helfen könne", so Hartmann weiter. "In der Zeit danach versuchte ich, mich um ihn zu kümmern. In diesem Zusammenhang haben wir verschiedentlich über seine Befürchtung, gegen ihn könne strafrechtlich ermittelt werden, kommuniziert. Ich habe versucht, ihn zu beruhigen."

Dass Hartmann frühzeitig von Edathys Einkäufen wusste, ist neu. In der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung war er noch am 6. Juli 2014 in indirekter Rede wiedergegeben worden: "Von der Porno-Sache habe er (Hartmann) nichts gewusst". Gegenüber der Süddeutschen Zeitung erklärte Hartmann am Montag, es handele sich um Unterstellungen, kein Zitat in dem Artikel sei von ihm autorisiert worden.

Als Hartmann im November 2013 entschied, sich um Edathy zu kümmern, hatte er selbst gerade eine persönliche Krise hinter sich. Die Snowden-Enthüllungen hatten ihn seit Monaten als Mitglied des parlamentarischen Kontrollgremiums beschäftigt, er hatte Wahlkampf geführt und war an den Koalitionsverhandlungen beteiligt.

"Morgens war ich meist der Erste, in Wirklichkeit war ich tot", ließ er sich im Oktober 2014 vom Spiegel über diese Zeit zitieren. Etwa einen Monat lang erwarb und konsumierte Hartmann im Herbst 2013 nach Angaben seines Anwalts "gelegentlich" die Droge Chrystal Meth in "geringer eigenverbrauchsüblicher Menge". Die Ermittlungen gegen Hartmann wurden später gegen eine Geldbuße eingestellt.

Ende November 2013 kam es zu einem Gespräch zwischen Hartmann und Oppermann. Hartmann habe ihm gesagt, "dass sich Sebastian Edathy in einem schlechten gesundheitlichen Zustand befindet", erklärte Oppermann später. Er habe ihn beauftragt, "sich um Edathy zu kümmern".

Oppermanns Glaubwürdigkeit auf Bewährung

Was über die Ursachen für Edathys Zustand zwischen den beiden SPD-Politikern gesprochen wurde, ist nicht bekannt. Bemerkenswert ist insbesondere, dass Oppermann, der von den Ermittlungen gegen Edathy wusste, und Hartmann, der von Edathys Sorgen vor Ermittlungen wusste, nicht über diesen für Edathy existenziellen Punkt geredet haben wollen.

Oppermanns Glaubwürdigkeit im Fall Edathy ist auf Bewährung. Im Februar 2014 hatte er zunächst behauptet, BKA-Chef Ziercke habe ihm die Ermittlungen gegen Edathy bestätigt. Das nahm er später zurück. Zu dem Gespräch mit seinem Fraktionskollegen bekräftigte Oppermann jedoch am Montag gegenüber der SZ klipp und klar, mit Michael Hartmann bis zur Mandatsniederlegung von Edathy nicht über sein eigenes Wissen zu den Ermittlungen gesprochen zu haben. Hartmann ließ eine Anfrage zu dem Gespräch einstweilen unbeantwortet.

© SZ vom 16.12.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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