SPD Berlin:Machtkampf pur

Der Regierende Bürgermeister Müller will unbedingt auch noch Parteichef werden.

Von Jens Schneider

Michael Müller erlebte als neuer Regierender Bürgermeister von Berlin einen unerwarteten politischen Frühling. Vor einem Jahr war das, gerade hatte der als blass geltende Sozialdemokrat das Amt von Klaus Wowereit übernommen, die Berliner freuten sich, endlich jemand Neues an der Spitze zu haben. Müllers angeblicher Makel wurde als Vorzug neu gedeutet. Nicht mehr von Blässe war die Rede, sondern von Bescheidenheit und Bürgernähe. Müller kultivierte die Rolle geschickt, er erreichte bald großartige Umfragewerte.

Dieser Zauber ist verflogen. Müller geriet immer mehr in die Kritik, vor allem wegen der vielen Unzulänglichkeiten bei der Aufnahme von Flüchtlingen in Berlin. Vorbei war es mit seiner Souveränität. Er reagierte empfindlich, suchte Sündenböcke, anstatt zu führen. Und in dieser Situation beansprucht er nun den Vorsitz der SPD in der Hauptstadt.

Er will die Partei nach seinen Vorstellungen ausrichten, was für einen Regierungschef ein verständlicher Anspruch ist. Irritierend ist jedoch, wie wenig elegant das abläuft. Müller serviert den derzeitigen Vorsitzenden Jan Stöß öffentlich ab, anstatt eine Verständigung mit dem Mann zu finden, der ihm vor vier Jahren dieses Amt genommen hatte. Das ist eine pure Machtdemonstration - und noch kein Zeichen jener Führungsstärke, die Müller für einen Wahlerfolg im September braucht.

© SZ vom 15.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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