Spanien:Wo Wasser dicker ist als Blut

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Politische Versäumnisse und viel zu wenig Regen: Spanien droht die schlimmste Dürre seit 60 Jahren. Und der bisherige Umgang des Landes mit dem Problem gibt wenig Anlass zur Hoffnung.

Javier Cáceres

Auch der Iberer ist ein Mensch, der, mit Kurt Tucholsky gesprochen, zwei Beine und ebenso viele Überzeugungen hat: eine, wenn's ihm gut geht, und eine, wenn's ihm schlecht geht. "Letztere nennte sich Religion", schrieb Tucholsky in "Der Mensch".

Der berühmte Brunnen vor der Sagrada Familia in Barcelona ist geleert worden - nur eine der Konsequenzen, die die Stadt aus der anhaltenden Trockenheit gezogen hat (Foto: Foto: dpa)

Den jüngsten Beleg für diese These lieferte der Umweltminister der Autonomen Region Katalonien, Francesc Baltasar, der eingestanden hat, zur Jungfrau von Montserrat gebetet zu haben - die Schutzheilige Kataloniens solle alsbald für Regen sorgen. Nun haben Regenfürbitten im zyklisch von Dürre geplagten Spanien reichlich Tradition. Dass der Minister der ökosozialistischen Regionalpartei ICV mit seinen Stoßgebeten in Spanien für Amüsement sorgte, hat einen anderen Grund: Zuvor hatte sich Baltasar ja nie bloß als Kommunist definiert. Sondern auch und gerne als Agnostiker.

Baltasars Frömmelei kam aus sprichwörtlich heiterem Himmel. In den vergangenen 18 Monaten hat es entlang der Mittelmeerstrände Spaniens so historisch wenig geregnet, dass von der schlimmsten Dürre seit 60 Jahren die Rede ist. Besonders groß ist der Hydrostress in Katalonien. Denn dort sind die Wasserreserven auf einem so dramatischen Tiefstand, dass die Trinkwasserversorgung der 5,5-Millionen-Metropole Barcelona im Herbst zusammenbrechen würde, wenn es bis dahin nicht noch signifikant regnet.

Ein Paket aus Sofortmaßnahmen der Zentralregierung verspricht zwar Abhilfe, das Aufreißen alter und neuer Gräben hat es aber nicht verhindern können. Folgt man der martialischen Sprache der spanischen Medien, so tobt nun in Europa das, was viele Strategen noch ausgangs des vergangenen Jahrhunderts als ein Charakteristikum der neuen Zeitrechnung vorhergesehen hatten: ein "Krieg ums Wasser". Die einzelnen Regionen schielen auf die Wasservorräte der Nachbarn, gewaltige Umleitungsprojekte von Flüssen werden diskutiert.

Längst hat dieser Konflikt ideologische und regionale Bande gesprengt. Als würde Wasser, wenn es mangelt, doch dicker als Blut. Dann lässt es die in einem Land, das zur Kirchturmpolitik neigt, die erbittert erörterte Frage keimen, wem das Wasser eigentlich gehört. Demjenigen, der es quellen sieht? Dem, der es vorbeifließen sieht? Oder doch eher dem, der zuschaut, wie sich ein Fluss ins Meer ergießt?

Als Kataloniens Regionalregierung erwog, den immer weniger Wasser führenden Segre-Fluss anzuzapfen, lief das Hinterland Barcelonas Sturm. Im Streit um die rechte Übergangslösung hat sich Kataloniens sozialistisch geführte Regionalregierung mit der politisch gleich gefärbten Zentralregierung in Madrid so dermaßen überworfen, dass die Kontrahenten sich als "frivol", "unverantwortlich" und "illoyal" beschimpften.

Als die spanische Regierung beschloss, vorübergehend Wasser aus dem Ebro, dem größten Fluss des Landes, nach Barcelona zu pumpen, schrien die konservativ regierten Regionen Murcia und Valencia ebenso auf wie Umweltorganisationen. Letztere fürchten um das ökologische Gleichgewicht des Ebro-Deltas und werfen der Regierung vor, ihre eigenen Ideale verraten zu haben; vor wenigen Jahren hatte sie sich noch massiv gegen eine von der konservativen Vorgängerregierung betriebene, allerdings weit pharaonischere Umleitung des Ebro gestellt.

Aber auch in Murcia und Valencia hat man das nicht vergessen. Die Landwirte dort wären Hauptbegünstigte des umstrittenen Wasserplans gewesen. Bis vor das Verfassungsgericht wolle man ziehen, weil nun den Katalanen gegeben werde, was den Menschen in Murcia und Valencia verweigert wurde. Kataloniens Ministerpräsident José Montilla ätzte, Valencia wolle das Ebro-Wasser, damit das satte Grün der Golfplätze nicht unter der sengenden Sonne leide. Barcelona dagegen brauche Wasser, um es seinen Bürgern zum Mund zu führen.

Wenig Anlass zur Hoffnung

Beileibe nicht nur, aber wohl auch um solche Konflikte zu umschiffen, hat Spaniens sozialistische Regierung 2004 ein milliardenschweres Wasser-Programm verabschiedet, das den Bau von 34 neuen Entsalzungsanlagen für Meerwasser vorsah. Kurzfristig rächt sich, dass sie nicht fertiggestellt werden konnten. Die Anlage etwa, die in Barcelona entsteht, wird ihren Betrieb frühestens Mitte 2009 aufnehmen. Langfristig dürfte sich rächen, dass sie extrem viel Energie verbrauchen und damit den Ausstoß an Kohlenxdioxid erhöhen.

Der bisherige Umgang Spaniens mit dem Problem gibt wenig Anlass zur Hoffnung: Obwohl schon vergangenes Jahr die nun drohenden Engpässe für Katalonien absehbar waren, wurden Übergangslösungen erst nach den Parlamentswahlen vom 9.März öffentlich diskutiert. Weil die Sozialisten das Dürre-Fass nicht im Wahlkampf aufmachen wollten, versickerte wertvolle Zeit - genau wie eine Unmenge an Trinkwasser, das aus maroden Leitungen und Stauanlagen absickert.

Der größte Teil allerdings, mehr als 75 Prozent, wird von der um effiziente Wassernutzung alles andere als besorgten Landwirtschaft verbraucht. Marokkos und Israels Landwirte kommen mit der Hälfte des Wassers aus, das die Spanier verbrauchen. Nun wird gebetet.

© SZ vom 02.05.2008/aho - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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