Sondierungsgespräche:Der erste Schritt zur Jamaika-Koalition

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Nach der Einigung von CDU und CSU im Flüchtlingsstreit sollen die Sondierungsgespräche beginnen. Grüne sehen die Obergrenze skeptisch. Parteichef Özdemir: "Am Ende kommt was anderes raus".

Von Constanze von Bullion, Mike Szymanski und Wolfgang Wittl, Berlin

Zumindest in dieselbe Richtung: Kanzlerin Merkel und CSU-Chef Seehofer auf dem Weg zur gemeinsamen Pressekonferenz. (Foto: Kay Nietfeld/dpa)

Erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik soll von kommender Woche an ein Jamaika-Bündnis auf Bundesebene ausgelotet werden. Nach der Einigung von CDU und CSU in der Flüchtlings- und Einwanderungspolitik können am kommenden Mittwoch die Gespräche zwischen Union, FDP und Grünen beginnen, sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) am Montag in Berlin. Die Union habe "einen klassischen Kompromiss gefunden", so Merkel. Die Vereinbarung sei eine "sehr, sehr gute Basis" für die Jamaika-Verhandlungen. Auch CSU-Chef Horst Seehofer zeigte sich zufrieden. Die Union gehe mit abgestimmter Position in die Gespräche. "Und dann schauen wir mal, was wird uns als Argument entgegengehalten." Grüne und FDP kündigten an, die Vorschläge so nicht hinzunehmen.

Nach monatelangem Streit über eine Obergrenze für Flüchtlinge hatten CDU und CSU sich am Sonntag auf einen Kompromiss verständigt. Demnach soll die Zahl schutzbedürftiger Menschen, die in Deutschland aufgenommen werden, die Zahl von 200 000 pro Jahr nicht überschreiten. Das Grundrecht auf Asyl soll unangetastet bleiben. Auch der 200 001. Antragsteller werde ein "ordentliches Verfahren" bekommen, betonte Merkel. Nach dem Willen von CDU und CSU sollen alle Neuankommenden jedoch in "Entscheidungs- und Rückführungszentren" festgehalten werden, bis ein Beschluss über ihren Aufenthaltsstatus fällt. "Die Liste der sicheren Herkunftsländer muss erweitert werden", heißt es im Papier der Union. Der Familiennachzug für subsidiär geschützte Flüchtlinge - also Ausländer, die Abschiebungsschutz genießen, weil ihnen Gefahr für Leib und Leben droht - bleibe ausgesetzt.

Grünen-Chef Cem Özdemir sprach von einem "Formelkompromiss" der Union. "Am Ende kommt was anderes raus", sagte er. "Für mich ist das ein Kompromiss zwischen CDU und CSU und keine vorweggenommene Verständigung der Koalition." Die Grünen wollen beim Familiennachzug für Flüchtlinge Erleichterungen durchsetzen. Özdemir ließ auch erkennen, dass er bei der Obergrenze von 200 000 Schutzbedürftigen noch Spielräume sieht. Die Forderung von Union und FDP, die Maghreb-Staaten zu sicheren Herkunftsländern zu erklären, dürfte noch Konflikte auslösen, auch bei den Grünen. Auf die Frage, ob die Partei diese Kröte womöglich werde schlucken müssen, sagte Özdemir: "Ich schlucke keine Kröten, weil ich Vegetarier bin."

FDP-Generalsekretärin Nicola Beer sieht nun die Grünen am Zug, in der Flüchtlingspolitik auf die möglichen Koalitionspartner zuzugehen. Sie könne nicht nachvollziehen, dass die Vorschläge von den Grünen "in Bausch und Bogen" verdammt würden. Bayerns Finanzminister Markus Söder lobte die Verhandlungsergebnisse als "wichtigen Schritt nach vorne". "In dem Kompromiss steckt viel Gutes drin", sagte er der Süddeutschen Zeitung. Damit sei der Weg frei für Sondierungsgespräche. Seehofer, dessen Wiederwahl als CSU-Vorsitzender nach dem Kompromiss mit der CDU als sicher gilt, erwägt den für Mitte November angesetzten Parteitag zu verschieben und führte dafür Kostengründe an. Auch über die Bildung einer Bundesregierung will Seehofer die CSU-Basis abstimmen lassen.

© SZ vom 10.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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