Somalia:Stellvertreterkrieg am Horn vom Afrika

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In Somalia eskaliert der Konflikt zwischen Regierung und Islamisten - dabei wollen die Nachbarstaaten und die USA ihre Interessen durchsetzen.

Arne Perras

Somalias Übergangsregierung residiert in einem schäbigen Nest namens Baidoa, nahe der äthiopischen Grenze. Das Kabinett ist zerstritten und schwach. Es kontrolliert nur ein kleines Gebiet um Baidoa herum, wenige Kilometer außerhalb hat sich schon der Feind verschanzt.

Regierungstruppen führen einen äthiopischen Kämpfer ab. (Foto: Foto: AP)

Niemand weiß, wie lange das Bollwerk noch hält. Auf ihre Truppen kann sich die Übergangsregierung kaum verlassen. Dieses Jahr sind bereits 600 Mann desertiert, sie beklagen, dass sie kaum Geld und Essen bekämen. Manche laufen über zum mächtigen Gegner, den Islamisten.

Das Duell zweier Männer

Seit Juni beherrscht die Union der islamischen Gerichte (UIC) die Hauptstadt Mogadischu. Nun setzen ihre Milizen zum Sprung auf Baidoa an. Ein solche Schlacht hätte schwerwiegende Folgen für die ganze Region, sie könnte einen neuen großen Krieg am Horn von Afrika entzünden.

Vordergründig treten in Somalia zwei Männer zum Duell an, die schon sehr lange verfeindet sind und sich mehrmals bekämpft haben. Der eine, Abdullahi Yusuf Ahmed, war in früheren Jahren als Warlord berüchtigt und genießt heute als Übergangspräsident Somalias den Rückhalt durch die Vereinten Nationen. Der andere, Scheich Hassan Dahir Aweys, ist ein radikaler Führer der Islamisten, die die Warlords aus Mogadischu vertrieben haben.

Doch es ist ein Zweikampf mit vielen Sekundanten von außerhalb. Die Übergangsregierung in Baidoa wird nicht nur von den UN gestützt, sie kann auch auf den großen Nachbarn Äthiopien zählen. Augenzeugen haben mehrmals berichtet, dass äthiopische Truppen die Grenze überquert hätten, um ihren schwächelnden Verbündeten in Baidoa vor dem Ansturm der islamischen Milizen zu schützen.

Hinter Äthiopien stehen die USA

Die Rede ist von mehreren tausend Soldaten. Hinter Äthiopien wiederum stehen die Amerikaner, die das strategische Ziel verfolgen, die Macht der Islamisten am Horn von Afrika einzudämmen. Dabei benutzen sie Äthiopien als Frontstaat. Washington wirft Scheich Aweys und anderen Radikalen vor, mit dem Terrornetzwerk al-Qaida im Bunde zu sein und Mogadischu in einen sicheren Hafen für Terroristen zu verwandeln.

Nach amerikanischen Erkenntnissen waren Somalis schon in die Bombenanschläge auf die US-Botschaften in Kenia und Tansania 1998 verwickelt.

Die UIC in Mogadischu steht indes auch nicht alleine. Äthiopiens Erzfeind Eritrea hat ihnen Kämpfer und Waffen geschickt. Offenbar glaubt die Regierung in Asmara, dass es dadurch politisch über Bande spielen und den großen Feind Äthiopien schwächen kann.

Zwischen den beiden Ländern tobte vor einigen Jahren ein heftiger Grenzkrieg, der ihr Verhältnis bis heute belastet. Auch Dschibuti, Syrien, Libyen, Saudi-Arabien und Iran stützen nach Erkenntnissen der UN die neuen Herren in Mogadischu. Das verhängte Waffenembargo erscheint daher nutzlos.

Machtlose Peacekeeper

Ein Stellvertreterkrieg bahnt sich am Horn von Afrika an, der nur sehr schwer einzudämmen sein wird. Washington hat nun kürzlich im UN-Sicherheitsrat die Initiative ergriffen und eine Resolution durchgesetzt, die eine 8000 Mann starke, afrikanische Friedenstruppe für Somalia fordert.

Doch welchen Frieden könnten die Peacekeeper, deren Soldaten unter anderem aus Uganda kommen sollen, schon schützen? Verhandlungen zwischen den Islamisten und der Übergangsregierung sind bislang fehlgeschlagen. Kritiker warnen sogar, dass der Sicherheitsratsbeschluss die Gräben noch vertiefen werde.

Pläne einer militärischen Intervention würden letztlich nur "die Positionen jener Kräfte stärken, die eine gewaltsame Lösung anstreben", warnt auch Richard Cornwell vom "Institute for Security Studies" in Südafrika. Allerdings ist es unwahrscheinlich, dass es bald zu einer Stationierung einer solchen Truppe kommt. Afrikanische Länder tun sich jetzt schon schwer, Soldaten für die Mission im Kriegsgebiet Darfur bereitzustellen. Eine weitere Operation würde sie überfordern.

Kein Wunder

Die UIC verteufelt die Resolution aus New York, sie spricht von einer "Aggression", gegen die sich die Somalis zu wehren wüssten. Vermutlich nützt es den Islamisten, dass sie nun als Schutzmacht gegen eine ausländische Invasion auftreten können, die viele Somalis so fürchten.

Das ist kein Wunder nach der gescheiterten Intervention von UN und USA in den neunziger Jahren. Das Versagen Washingtons hat das Chaos im Lande noch verstärkt. Seit dem Sturz von Diktator Muhammad Siad Barre im Jahr 1991 hat Somalia keine Zentralgewalt mehr. Jahrelang haben rivalisierende Warlords das Land zugrunde gerichtet.

Geschickt setzen sich die Islamisten als Vorkämpfer für eine somalische Nation in Szene, dies dient ihrem machtpolitischen Ziel, die Kontrolle auf das ganze Staatsgebiet auszuweiten. Und nicht nur dort: "Wir werden jeden Stein umdrehen, um unsere Brüder in Kenia und Äthiopien zu integrieren und ihre Freiheit wieder herzustellen", erklärte Scheich Aweys kürzlich.

Dies bedeutet, dass die Islamisten die Staatsaufteilung aus kolonialen Zeiten nicht anerkennen wollen. Die Grenzziehung am grünen Tisch führte einst dazu, dass das somalische Volk auf mehrere Staaten verteilt wurde. Die Islamisten predigen nun eine Art groß-somalische Lösung, die enormen Sprengstoff birgt - für Kenia und vor allem für Äthiopien, das zwischen 1960 und 1978 bereits drei Kriege gegen Somalia geführt hat.

Addis Abeba beklagt, dass die Herrscher in Mogadischu Rebellen im Gebiet Ogaden im Osten Äthiopiens unterstützen. Dort leben vor allem Somalis. Scheich Aweys stand in früheren Jahren schon einmal im Ogaden auf dem Schlachtfeld, damals noch als Offizier der somalischen Armee.

Ultimatum

Am Donnerstag setzten die Islamisten den Äthiopiern ein Ultimatum. Addis Abeba solle seine Truppen innerhalb von sieben Tagen abziehen, andernfalls würden sie davongejagt.

Die UIC verbindet ihre nationalistische Rhetorik mit einem Aufruf zum Dschihad. Wie viel Kraft sie daraus tatsächlich schöpfen kann, ist ungewiss. Denn es gibt noch andere gewichtige Faktoren, die das politische Leben bestimmen, vor allem die Zugehörigkeit zu den jeweiligen Clans. "In vielen Teilen Somalias wird die UIC nur als Vehikel für den Clan der Hawiye betrachtet", schreibt Matt Braden, politischer Experte für das Horn von Afrika.

Übergangspräsident Abdullahi Yusuf Ahmed hingegen gehört zum verfeindeten Clan der Darod. Ob die Appelle der Islamisten an das Nationalgefühl ausreichen, um die Gräben zwischen den Clans zu überbrücken, wird auch davon abhängen, ob ihnen gelingt, in ihren Gebieten Sicherheit und Ordnung zu schaffen.

In Ansätzen ist dies bereits gelungen, was die wachsende Sympathie für die Islamisten erklären mag. Vielen Somalis scheint ein hartes Scharia-System immer noch lieber zu sein als die Willkür der Warlords, die jahrelang mit bloßem Faustrecht herrschten.

© SZ vom 14.12.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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