Solidaritätszuschlag:Einfach kompliziert

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Für manche gehört er abgeschafft, andere halten ihn für irreführend: Zwei Jahrzehnte nach der Einheit gibt es den Soli immer noch. Warum eigentlich? Ein Erklärstück.

Von Andreas Glas

Der Solidaritätszuschlag ist gar kein Zuschlag im eigentlichen Sinne, sondern eine Steuer - und Steuereinnahmen sind nicht zweckgebunden (Foto: dpa)

Eigentlich kann man die Sache mit dem Soli in einem Satz erklären: Politische Versprechen reichen immer nur so weit, wie es die Schulden zulassen. Weil der Soli aber eine komplizierte Sache ist, muss man doch ein bisschen Anlauf nehmen. Im Juli 1991 führte die Regierung unter Kanzler Helmut Kohl den so genannten Solidaritätszuschlag ein. Um die Kosten der Einheit zu stemmen, sollte jeder Deutsche 7,5 Prozent Zuschlag auf die Einkommensteuer und Körperschaftsteuer zahlen. Nur ein Jahr lang, versprach Kohl.

Heute, 22 Jahre und zwei Kanzler später, gibt es den Soli immer noch. Warum eigentlich?

Außer der Höhe des Prozentsatzes (5,5 Prozent seit 1998) hat sich seit 1991 nichts geändert, auch der Zweck des Solidaritätszuschlags nicht - und der ist keineswegs so unmissverständlich wie es der Begriff vermuten lässt. Das hat zwei Gründe.

Erstens: Mit Solidarität mit dem Osten der Republik hat der Zuschlag nur bedingt zu tun. Er fließt nämlich direkt in den Bundeshaushalt, der Finanzminister kann das Geld für alle anfallenden Kosten verwenden, egal ob es sich um Investitionen im Osten oder im Westen handelt.

Zweitens: Der Solidaritätszuschlag ist gar kein Zuschlag im eigentlichen Sinne, sondern eine Steuer - und Steuereinnahmen sind nicht zweckgebunden sondern frei verwendbar. Wer also sagt, der Soli erfülle heute nicht mehr den Zweck der "Aufbauhilfe Ost" und müsse deswegen abgeschafft werden, der läuft mit seinem Argument gleich doppelt ins Leere.

NRW-Kommunen fühlen sich benachteiligt

Zur exklusiven Förderung der Ost-Bundesländer gibt es allerdings die Vereinbarung, dass Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen und Berlin besondere Leistungen aus dem Länderfinanzausgleich bekommen. Diese Regelung trat 1995 als "Solidarpakt I" in Kraft, wurde 2001 unter dem Namen "Solidarpakt II" verlängert - und soll bis zum Jahr 2019 insgesamt 156 Milliarden Euro in den Osten spülen.

Nicht wenige Bürger und Politiker in West-Bundesländern fühlen sich deswegen benachteiligt. Beispiel Nordrhein-Westfalen: Etliche NRW-Kommunen sind knapp bei Kasse, trotzdem zahlt das Land im Rahmen des Länderfinanzausgleichs mehr als zwei Milliarden Euro pro Jahr, bekommt aber selbst keinen Cent.

Die Forderung aus dem Westen: Mehr als 20 Jahre nach der Einheit dürfe kein Unterschied mehr gemacht werden zwischen Ost- und Westdeutschland. Kurzum: Die Aufbauhilfe Ost muss ein Ende haben, strukturschwache Regionen im Westen sollen die gleichen Förderungen erhalten.

Eine Frage der Haushaltslöcher

Bundeskanzlerin Angela Merkel hat erkannt, dass die Ost-Förderung gut zwei Jahrzehnte nach der Einheit nur noch schwer vermittelbar ist - und am Sonntag versprochen, den Solidarpakt nicht mehr zu verlängern, wenn er nach 2019 ausläuft. Doch eine Abschaffung des Solidaritätszuschlags kommt für Merkel nicht in Frage.

Die Erklärung ist einfach: Würde die Regierung den Soli abschaffen, würden demnächst 13 Milliarden Euro pro Jahr an Einnahmen fehlen. Ein Finanzminister will und kann darauf nicht verzichten, wenn er kein Loch in den Haushalt reißen möchte. An dieser Stelle kommt also die Logik politischer Versprechen ins Spiel: Das Ziel eines ausgeglichenen Haushalts steht der Abschaffung des Soli im Weg. So einfach ist das. Und so kompliziert.

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