Slowakei:Premier bietet nach Journalisten-Mord Rücktritt an

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Der slowakische Regierungschef Robert Fico beugt sich dem öffentlichen Druck - er stellt aber Bedingungen.

In der Slowakei hat Regierungschef Robert Fico am Mittwochabend seinen Rücktritt angeboten. Er wolle sein Rücktrittsangebot an diesem Donnerstag Staatspräsident Andrej Kiska übergeben, sagte Fico in der Hauptstadt Bratislava. Seine Dreiparteienregierung war unter steigenden Druck geraten. Für kommenden Montag war auf Antrag der Opposition ein Misstrauensvotum im Parlament angesetzt. Die politische Krise in dem EU-Land ist ausgelöst worden durch die ungeklärten Morde an dem investigativen Journalisten Ján Kuciak und seiner Verlobten Martina Kušnírová im Februar.

Der 27-jährige Kuciak hatte über Verbindungen der italienischen Mafia bis in höchste Regierungskreise recherchiert. Die Polizei geht davon aus, dass Kuciaks Tod "höchstwahrscheinlich" mit seinen Recherchen zusammenhängt. Am Montag war bereits der Innenminister und stellvertretende Ministerpräsident Robert Kaliňák zurückgetreten. Er reagierte damit auf Proteste gegen den Umgang der Regierung mit dem Doppelmord. Kaliňáks Entschlossenheit und Unabhängigkeit bei der Aufarbeitung des Verbrechens wurden vielfach bezweifelt, er ist zudem in eine Korruptionsaffäre verstrickt.

Bis zu 100 000 Menschen hatten am vergangenen Freitag in Bratislava und anderen Städten des Landes protestiert; es waren die größten Proteste seit der Samtenen Revolution, die 1989 zum Ende des kommunistischen Regimes führte. Viele Demonstranten forderten den Rücktritt der ganzen Regierung und wandten sich gegen die grassierende Korruption in der Slowakei. Präsident Andrej Kiska hatte erklärt, Neuwahlen oder ein radikaler Umbau des Kabinetts seien nötig, um dem "riesigen und berechtigten Misstrauen gegenüber dem Staat" entgegenzuwirken.

Fico stellte am Mittwoch allerdings Bedingungen für seinen Rücktritt, wie der Ministerpräsident der Nachrichtenagentur TASR zufolge erklärte. Dazu gehöre vor allem, dass seine sozialdemokratische Partei Smer das Vorschlagsrecht für einen Nachfolger behalte. Er will mit seinem Schritt offenbar die Dreier-Koalition an der Macht halten. Die Regierungspartei Most-Híd, Juniorpartner in der Koalition, hatte bereits gedroht, das Bündnis zu verlassen und Neuwahlen gefordert. Fico hingegen hat eine Neuwahl, die frühestens im Juni angesetzt werden könnte, bislang ausdrücklich ausgeschlossen. Er warnte, die Slowakei werde ins "Chaos stürzen", wenn die Opposition an die Regierung kommen sollte. Nach einem Bericht der slowakischen Zeitung Sme könnte der bisherige Vize-Regierungschef Peter Pellegrini Ficos Amt übernehmen.

Die slowakische Polizei nahm in dieser Woche zum zweiten Mal einen italienischen Geschäftsmann fest, der in den Recherchen Ján Kuciaks vorgekommen war. Grundlage sei diesmal ein europäischer Haftbefehl, den ein Gericht in Venedig erwirkt habe, berichtete die Agentur TASR unter Berufung auf die Staatsanwaltschaft. Dem Mann würden Drogenhandel und organisierte Kriminalität vorgeworfen.

Der Investigativ-Journalist Kuciak hatte wenige Tage, bevor er und seine Verlobte am 25. Februar in seinem Haus von Unbekannten erschossen wurden, Behördenanfragen verschickt im Zusammenhang mit den Hinweisen auf Korruption und Mafia-Verbindungen in Regierungskreisen. Im vergangenen Herbst hatte er Drohungen erhalten und Anzeige erstattet. Am Dienstag ehrte das Parlament in Bratislava ihn und seine Freundin mit einer Schweigeminute.

© SZ vom 15.03.2018 / SZ, dpa, AFP - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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