Slowakei:Mord für 50 000 Euro

Lesezeit: 3 min

Marian Kočner sitzt vor dem Gericht in Pezinok. Er soll den Mord an dem Investigativjournalisten Ján Kuciak in Auftrag gegeben haben. (Foto: Petr David Josek/AP)

Die mutmaßlichen Mörder des Journalisten Kuciak stehen vor Gericht - und der Mann, der die Hinrichtung wohl anordnete.

Von Viktoria Großmann, Pezinok

Gefesselt, in Fußketten und Handschellen, begleitet von einem Dutzend schwer bewaffneter Justizbeamter mit Sturmhauben werden die vier Angeklagten am frühen Donnerstagmorgen in den Gerichtssaal der Justizakademie in der slowakischen Kleinstadt geführt. Hier in Pezinok beginnt der wahrscheinlich wichtigste Gerichtsprozess in der Geschichte der Slowakei. Der gegen die Mörder und Auftraggeber des Mordes an dem Journalisten Ján Kuciak und seiner Verlobten Martina Kušnírová. Sie wurden im Februar 2018 in ihrem Haus erschossen.

Beschuldigt, den Mord beauftragt zu haben, wird der Geschäftsmann Marián Kočner. Geschäftsmann ist dabei nur eine grobe Berufsbezeichnung, Kočner hatte über Jahre ein Mafia-System in der Slowakei aufgebaut. Staatsanwälte verschleppten Ermittlungen gegen ihn, Polizisten spähten für ihn Journalisten oder andere ihm unliebsame Menschen aus, Richter urteilten in seinem Sinne. Nicht zuletzt hatte Marian Kočner exzellente Kontakte zur Politik. Robert Fico, ehemaliger Premier und Chef der Regierungspartei Smer SD, lebte mit ihm in der Hauptstadt Bratislava Tür an Tür. Kočner mischte sich in Regierungsbildungen und innerparteiliche Angelegenheiten ein. So weit reichte seine Chuzpe, dass er sogar bestimmen wollte, wer im Lande Premier ist.

Das ganze Ausmaß von Kočners Verbindungen, sein Netz aus Bestechung und Erpressung wurde erst im Zuge der Ermittlungen nach dem Mord an Kuciak offenbar. Der erst 27-jährige Journalist hatte zu Kočner recherchiert und über ihn geschrieben. Dieser hatte ihm gedroht. Dass wirklich ein Mord geschehen könnte in dem sonst so sicheren 5,5-Millionen-Einwohner-Land, hatte jedoch keiner geglaubt.

Im Gericht erscheint Kočner in Anzug und Krawatte, mit einem selbstsicheren Lächeln. Die Haare trägt der 56-Jährige frisch geschnitten und dunkel gefärbt. Er plädiert auf nicht schuldig. Keiner der vier Angeklagten möchte eine Vereinbarung treffen und ein Schuldeingeständnis machen. Ihnen allen drohen mindestens 25 Jahre Haft oder gar lebenslänglich. Mit Kočner sind zwei weitere Männer und eine Frau angeklagt. Alena Zsuzsová gilt als Kočners rechte Hand. Sie soll den Auftrag vermittelt, mit den Tätern kommuniziert und auch das Geld übergeben haben. Zudem soll sie für Kočner spioniert und erpresst haben. Auch sie plädiert auf nicht schuldig. Sie wird zudem beschuldigt, in einem weiteren Mord Vermittlerin gewesen zu sein.

Eine Justiz-Staatssekretärin, die von ihm abhängig war, nannte der Angeklagte "Äffchen"

Die beiden Männer, die den Mord ausgeführt haben sollen - für 50 000 Euro - sitzen in Jogginganzügen im Gerichtssaal, die Köpfe meist tief gesenkt. Tomáš Szabó, ein ehemaliger Polizist, und Miroslav Marček, ein ehemaliger Berufssoldat, sind Cousins. Marček hat bereits gestanden, geschossen zu haben. Ihm wird ein weiterer Mord vorgeworfen, darüber soll im selben Prozess entschieden werden.

Am Donnerstag hat das Gericht formal entschieden, den Prozess aufzunehmen. Einwände der Anwälte der Beschuldigten wurden abgelehnt. Für das neue Jahr sind zunächst sechs Prozesstage angesetzt. In einem gesonderten Prozess soll ein Urteil über einen fünften Beschuldigten gefällt werden. Er gilt ebenfalls als Mittler zu den Auftragsmördern. Weil er bereits ein umfassendes Geständnis abgelegt und damit die anderen Angeklagten schwer belastet hat, kann er mit einem etwas milderen Urteil rechnen.

Der Anwalt der Eltern Kuciaks gab sich schon Wochen vor dem Prozess gewiss, dass Kočner "eine gerechte Strafe" erhalten werde. Und nicht nur dieser. Nach und nach kommen immer mehr Persönlichkeiten zu Fall, die Kočners System gedient haben. Ein stellvertretender Parlamentspräsident trat wegen Vorwürfen besonders enger Kontakte zu Kočner zurück. Ein früherer Generalstaatsanwalt, der über Jahre Beweise in einem Korruptionsfall zurückhielt - zugunsten Kočners - gilt seit Mittwoch laut Polizei als offiziell Beschuldigter. Eine Staatssekretärin im Justizministerium gab ihr Amt auf - auch sie arbeitete für Kočner, der sie als "Äffchen" bezeichnete. Andere waren für ihn einfach "Schafe".

Nun scheint das System Kočner einzustürzen. In den USA hat man beobachtet, was in der Slowakei geschieht - und Kočners amerikanische Konten eingefroren. Wegen des Vorwurfs, Wechsel gefälscht zu haben, wird Kočner gleichzeitig ein weiterer Prozess gemacht. Kočners Vertrauter Robert Fico hält sich jedoch noch an der Macht. Ob sich wirklich etwas verändern wird, werden die Slowaken auch in den Parlamentswahlen im Februar entscheiden.

© SZ vom 20.12.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: