Sicherungsverwahrung für Sexualstraftäter:Ein Versprechen, das keiner erfüllen kann

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Wenn es zu Verbrechen kommt wie nun an dem kleinen Mitja, melden sich stets die Söders dieser Welt zu Wort und fordern: Jetzt müsse "hart durchgegriffen" werden, Verdächtige gehörten allesamt "weggesperrt". Dieser Populismus erreicht genau das Gegenteil des angeblich Gewünschten: Nicht die Sicherheit nimmt zu, sondern das Gefühl der Unsicherheit.

Joachim Käppner

Der Junge verschwand am Ostermontag mitten in Wittenberge. Zwei Tage später fanden die Suchtrupps die Leiche des Elfjährigen. Zwei Jahre später wurde in der Stadt ein neunjähriger Schüler vermisst, er lag tot in einem Wald.

Als der Mörder gefasst wurde, war das Staunen groß. Es handelte sich um einen Uhrmacher, allgemein "Onkel Tick-Tack" genannt, von dem man, wie es in der aufgebrachten Bürgerschaft hieß, "so etwas nie gedacht hätte".

Das geschah nicht hier und heute, sondern 1933 und 1935, in den ersten Jahren der NS-Diktatur. Zwölf Morde an Kindern wurden Gustav Adolf Seefeld zur Last gelegt. Und er war nicht der einzige Serientäter in einer Zeit, in der die Justiz gefügiges Instrument eines Terrorregimes war und es im Belieben des Staates lag, Menschen unbegrenzt einzukerkern oder hinzurichten.

Nicht einmal damals gab es jenen perfekten Schutz vor Sexualverbrechern, von dem CSU-Generalsekretär Markus Söder schwafelt, wenn er fordert, die "lebenslängliche Sicherungsverwahrung" solle bei Sexualstraftätern zum "Regelfall" werden.

Grundrechte? Rechtsstaat? Spielt keine Rolle, Hauptsache, man redet markig daher. Wenn es zu Verbrechen kommt wie nun an dem kleinen Mitja in Leipzig, der wohl von einem Rückfalltäter ermordet wurde - stets melden sich die Söders dieser Welt zu Wort, die Sicherheitspolitiker und Polizeifunktionäre und andere mehr: Jetzt müsse "endlich Schluss" sein, "hart durchgegriffen" werden, Verdächtige gehörten allesamt "weggesperrt".

Das Törichte an dieser Art von Populismus ist, dass er genau das Gegenteil des angeblich Gewünschten erreicht. Nicht die Sicherheit nimmt zu, sondern das Gefühl der Unsicherheit. Die Zahl der einschlägigen Straftaten sinkt, aber viele Bürger glauben, es würden mehr Kinder Opfer von Verbrechen denn je.

Der Rechtsstaat erscheint schwach und hilflos, obwohl er es gar nicht ist. Es ist heute nämlich wesentlich einfacher als noch vor zehn Jahren, Menschen für sehr lange Zeit und sogar auf Dauer hinter Anstaltsmauern zu belassen; und wesentlich mehr Täter werden deshalb tatsächlich "weggesperrt" - nach Verbüßung ihrer Strafe.

Die Suggestion von lückenloser Sicherheit

Man kann das beklagen, aber ohne Zweifel hat diese neue Härte tatsächlich den Schutz vor einer sehr kleinen Gruppe sehr gefährlicher Sexual- und Gewaltverbrecher erhöht. Es spricht daher, so traurig es sein mag, auch nichts dagegen, allerletzte Gesetzeslücken zu schließen und die Sicherungsverwahrung etwa bei Jugendlichen zu erlauben - als ultima ratio des Rechtsstaates.

Wer aber, wie Söder, etliche andere Politiker und Polizeifunktionäre und viele mehr, trotzdem so tut, als sei das alles niemals geschehen, schadet dem Rechtsstaat in Wahrheit. Dahinter steckt die Suggestion, der Staat könne fast lückenlose Sicherheit vor Sexualstraftätern bieten, wenn er nur hart genug durchgreifen würde. Es wäre ein Versprechen, das niemals erfüllbar ist.

© SZ vom 01.03.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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